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Ein Erlöser aus dem Ausland spendet Rückhalt: Andrew Garfield als portugiesischer Priester und Shinya Tsukamoto als Anführer der Kirishitan, der japanischen Christengemeinde, in Martin Scorseses "Silence".

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Wien – Ein kleiner Schritt für einen Zweifelnden, ein großer für einen frommen Menschen. Wenn die Christen von den Schergen des japanischen Inquisitors aufgefordert werden, sich zu ihrem Glauben zu bekennen, um diesem in der Folge abzuschwören, werden sie gezwungen, mit nacktem Fuß auf ein Götzenbild Jesu zu treten. Oder auf ein Kruzifix zu spucken.

Es sind diese vergleichsweise verhaltenen Gesten, denen in Martin Scorseses Religionsdrama Silence die größte Bedeutung zukommt. Verhalten, weil noch ganz andere Tantalusqualen auf die Christen warten: Kochendes Wasser wird ihnen tropfenweise aufs Haupt gegossen; man hängt sie kopfüber in eine Grube und lässt sie langsam verbluten; man kreuzigt sie in der Meeresflut, schlägt ihnen den Kopf ab.

Paramount Pictures

Die Drastik der Christenverfolgung im Japan von 1643 ist für Scorsese aber nur eine Facette des Romans von Shusaku Endo und keineswegs jene, die er über Gebühr ausschmückt. Symbolische Gesten wie Devotionalien in rissigen Händen wiegen in dem Herzensprojekt des Italoamerikaners schwerer. In ihnen drückt sich Fluch und Segen des Glaubens viel reiner aus; in Form eines inneren Kampfes, im Zweifel über die Rechtmäßigkeit der eigenen Überzeugungen und Handlungen.

Das Thema der spirituellen Bejahung und Subversion ist eines, auf das Scorsese immer wieder zurückkommt: Shusaku Endos Japan liefert ihm nun eine Erzählung, mit der sich das Martyrium von Jesus Christus noch einmal in einer fremden, ja exotisch anmutenden Welt behandeln lässt.

Verwunschenes Paradies

Nach einer Reihe von visuell exzessiven Arbeiten, die in der Drogen- und Champagnerseligkeit von The Wolf of Wall Street gipfelten, gleicht Silence trotz seiner Länge von 160 Minuten eher einer Form von Fastenkur. Scorseses Manierismen sind einer inszenatorischen Konzentration gewichen, mit der der Film in gemessenem Tempo in ein nebelschwangeres, verwunschenes Paradies führt, in dem man leicht den Halt verliert. Ganz selten nur wechselt Kameramann Rodrigo Prieto in Aufsichten, die auf den schwer deutbaren Blick Gottes verweisen.

Die beiden portugiesischen Priester Rodrigues (Andrew Garfield) und Garupe (Adam Driver) sind nach Japan gekommen, um ihren einstigen jesuitischen Mentor Ferreira (Liam Neeson) zu finden, von dem es heißt, dass er dem Glauben abgeschworen hat. Ferreiras Schicksal ist freilich nur die Vorwegnahme für die bald einsetzende Selbstbefragung von Rodrigues: Ist der Priester mit seiner Mission auf verlorenem Posten? Soll er weitermachen, wo er die letzten verbliebenen Christen, ein verlottertes Bündel an Dahindarbenden, nur zu gefährden droht?

Das Schweigen Gottes

Rodrigues ist ein charakteristischer Scorsese-Held, gleichsam entrückt im Zentrum des Geschehens, wobei die Off-Stimme wie in einem Film von Terrence Malick Einsichten in sein zerrissenes Inneres gewährt. Die Glaubenskrise, sein Leiden unter dem Schweigen Gottes, wird für den Film jedoch selbst zur Bürde; und zwar immer dann, wenn er sich auf die eher äußerlichen Qualitäten Andrew Garfields verlässt. So entschlackt können die Bilder Scorseses gar nicht sein, dass hier nicht noch der Umriss eines White Saviour durchscheinen würde, dessen Schwächen zu wenig plastisch wirken.

So liegt es dann mehr an dem erlesenen japanischen Ensemble, jene Fragen ins Spiel zu werfen, an denen der Film auch aktuelle Brisanz erfährt. Angefangen beim Anrecht auf Feigheit, das die Judas-Figur Kichijiro (Yôsuke Kubozuka) verkörpert, über das vielleicht edle, aber auch folgen- lose Märtyrertum vom Anführer der Kirishitan (Tetsuo-Regisseur Shinya Tsukamoto). Vor allem aber in den sophistischen Verdrehungen des nationalistischen Inquistors Inoue, als welcher der Komiker Issey Ogata brilliert.

Den Kampf um den wahren Glauben entscheidet in Silence schließlich nicht der frevelhafte Schritt aufs Konterfei Jesu. Im letzten Teil überrascht Scorsese mit einer dringlichen Note: Sie zeigt sich im Verzicht auf das Opfer, in der Abkehr von einer symbolischen Schlacht. (Dominik Kamalzadeh, 2.3.2017)