Am häufigsten vom Presserat gerügt: "Kronen Zeitung" und "Österreich".

Foto: derstandard.at/Mark

Wien – Sechs Jahresbilanzen hat der Österreichische Presserat bis dato veröffentlicht, und zum sechsten Mal in Folge führen "Kronen Zeitung" und "Österreich" die Statistik an: 13 Verstöße gegen den Ehrenkodex der Österreichischen Presse konstatierte der Presserat im Jahr 2016 bei der "Kronen Zeitung", vier bei "Österreich" und drei beim "Wochenblick". Nur im Jahr 2011 lag mit "Heute" ein weiteres Medium ex aequo mit der "Krone" auf Platz zwei (siehe Jahresbilanzen als pdf, links).

Die dominierende Causa war auch 2016 die Flüchtlingsberichterstattung. 20 Prozent der Mitteilungen an den Presserat betrafen diese Thematik. Bei der "Kronen Zeitung" standen sechs der 13 gerügten Artikel im Zusammenhang mit Flüchtlingen.

Mehr Fälle, aber weniger Verstöße

Die Verstöße gegen den Ehrenkodex gingen aber zurück. Nicht nur bei den Boulevardmedien "Krone" (19 im Jahr 2015), "Österreich" (9 im Jahr 2015) und "Heute" (2 nach 7 im Jahr 2015), sondern insgesamt: von 46 im Jahr 2015 auf 33 im Jahr 2016, obwohl der Presserat mehr Fälle behandelte als ein Jahr davor (307 zu 253). Neun Ethikverstöße wurden als geringfügig eingestuft und daher bloß Hinweise ausgesprochen.

Dass der Rückgang der Rügen ein Indiz dafür ist, dass der Journalismus in Österreich besser geworden ist, glaubt Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek nicht. "Das liegt innerhalb der Bandbreite", sagte er am Freitag bei der Jahrespressekonferenz im Presseclub Concordia (Fragen an ihn können Sie unten im Forum stellen).

Neben der Flüchtlingsberichterstattung musste sich der Presserat schwerpunktmäßig noch mit Persönlichkeitsrechten, Opferschutz und Schleichwerbung auseinandersetzen. Die meisten Ethikverstöße betrafen Persönlichkeitsverletzungen (Punkt 5 des Ehrenkodex für die österreichische Presse) und Diskriminierungen von Personengruppen (Punkt 7 des Ehrenkodex).

Persönlichkeitsverletzungen

Zu den Persönlichkeitsverletzungen zählten unter anderem: die Feststellung in einem Artikel in der Fachzeitschrift "Österreichischer Journalist", dass eine Journalistin eine "weiße Leber" habe (also nymphomanisch veranlagt sei); die Veröffentlichung von Bildern der Opfer eines Amoklaufs in München auf "oe24.at"; ein Artikel auf "wochenblick.at", in dem ein unbeteiligter Schwarzer in Zusammenhang mit Sexattacken auf Kinder gebracht wird; und die Veröffentlichung brutaler Bilder von Opfern des Bürgerkriegs im Kongo in einer Straßenzeitung.

Diskriminierung

Als Diskriminierungen werteten die Senate etwa einen Artikel in der "Kronen Zeitung" über angeblichen Sozialmissbrauch durch muslimische Bigamisten. Neben dem Artikel war eine Fotomontage mit einem lächelnden muslimischen Mann, den Schattenbildern zweier verschleierter Frauen und herabregnenden Geldscheinen; einen Kommentar in einer Beilage der Wochenzeitschrift "News", in dem Muslimen pauschal sehr negative Haltungen und Eigenschaften bis hin zu Ehrenmord und Blutfehde zugeschrieben werden; und die Bezeichnung der befreiten KZ-Häftlinge von Mauthausen als "Massenmörder" und "Landplage" in der Zeitschrift "Aula". Eine Pauschalverunglimpfung stellte der Presserat aufgrund eines Covers bei der Wiener Wochenzeitung "Falter" fest.

Schleichwerbung

Darüber hinaus gab es auch Verstöße gegen das Gebot, zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten zu unterscheiden. So wurde ein Artikel in der "Kronen Zeitung" zur Super Bowl, in dem ein Brotlaibchen in der Form eines Footballs gezielt beworben wurde, als Ethikverstoß eingestuft. Beanstandet wurde auch eine nicht ausreichend gekennzeichnete Werbeeinschaltung für den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer auf der Titelseite der Wochenzeitung "Journal Graz".

Presseförderung

Neues Presseratsmitglied seit 2. März ist – wie berichtet – die Tageszeitung "Österreich", allerdings ohne den Onlineableger "oe24.at". Ob die Zeitung dann Rügen für "oe24.at" veröffentlicht, werde sich weisen, sagt Presserat-Geschäftsführer Warzilek. Bis dato sei es üblich gewesen, dass der Ehrenkodex sowohl für das Print- als auch das Onlinemedium gelte. Im Rahmen der Presseförderung neu sollen – wie berichtet – Medien zusätzlich gefördert werden, die Mitglied beim Presserat sind. "Ich finde es gut, dass der Presserat ein Kriterium ist", sagt Warzilek, "hätte mir aber gewünscht, dass eine Mitgliedschaft überhaupt Grundvoraussetzung ist, dass Medien Presseförderung erhalten".

Generell lege der Presserat Wert darauf, als unabhängiges Branchenorgan zu agieren und sich nicht allzu sehr in die Medienpolitik "einzumischen". Mit "Heute" – ebenfalls bisher nicht an Bord des Presserats – gebe es Gespräche, erst "unlängst ein sehr angenehmes", sagte Warzilek zur APA. Mit der "Kronen Zeitung" gebe es dagegen derzeit keinen offiziellen Kontakt.

Medien müssen sie betreffende Entscheidungen des Presserats nicht veröffentlichen. Das würde Warzilek gerne ändern, analog zur Regelung in Deutschland. Zudem könnte man die Verfahrensordnung des Presserats – "mit 16 bis 18 Seiten sehr umfangreich" – vereinfachen. In Deutschland habe sie gerade einmal sechs Seiten. Dass Personen, die in eigener Sache Beschwerde erheben, einem Rechtsmittelverzicht zustimmen, "sorgt nach wie vor für Diskussionen", räumte Warzilek ein. Ob es ohne diese Bestimmungen mehr solcher Beschwerden gäbe (23 waren es 2016), sei aber "eine Mutmaßung". (omark, APA, 3.3.2017)

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