Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu spricht über gutes Benehmen.

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Deutschland muss lernen, sich zu benehmen. Diese Ansicht vertritt der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, und er hat damit recht – wenn auch auf eine andere Weise als von ihm gemeint. "So kann es nicht weitergehen. Wenn Sie mit uns arbeiten wollen, müssen Sie lernen, wie Sie sich uns gegenüber zu verhalten haben", erklärte Çavuşoğlu in Ankara.

Sehr richtig: Die deutsche Bundesregierung muss tatsächlich lernen, wie man sich gegenüber der Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verhält. Die Bilanz der bisherigen Kuschelpolitik ist desaströs, es rächt sich nun das jahrelange Appeasement der Merkel-Regierung gegenüber Ankara.

Bei der Armenier-Resolution im Bundestag glänzten die Regierungsspitzen mit Abwesenheit, in der Causa Böhmermann ließ sich Merkel sowohl vom TV-Satiriker als auch von Erdoğan vorführen. An den sinnlosen Beitrittsverhandlungen wird krampfhaft festgehalten, obwohl völlig klar ist, dass diese Türkei niemals EU-Mitglied sein kann. Der Flüchtlingsdeal der EU mit der Türkei, Kernstück von Merkels gescheiterter Migrationspolitik, dient regelmäßig als Faustpfand erpresserischer Drohungen durch Ankara.

Keine Konsequenzen für Erdoğan

Die Massenverhaftungen von Wissenschaftern, Journalisten und Oppositionellen sorgen in Berlin höchstens für die Äußerung von "Besorgnis", wie auch im Falle des inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. Konsequenzen hat Erdoğan nicht zu befürchten, und das weiß er auch.

Doch die deutsch-türkischen Beziehungen hängen letztlich nicht davon ab, ob Yücel nun inhaftiert bleibt oder nicht. Auch eine Freilassung würde nichts am Grundproblem ändern: Die Türkei ist auf dem direkten Weg in die Diktatur. Deshalb ist eine Kehrtwende in den europäisch-türkischen Beziehungen nötig, denn an einem Dialog besteht in Ankara kein Interesse, er wird nur als Zeichen der Schwäche verstanden.

Alternativlose Merkel

Merkel verkaufte ihren Kurs gegenüber der Türkei stets als alternativlos. Diese Losung kann jedoch im Jahr der Bundestagswahl nicht mehr funktionieren. Die Politik der Beschwichtigung gegenüber dem aggressiven Auftreten der türkischen Regierung lässt sich nicht mehr mit schönen Worten kaschieren.

Dass die Stadtregierung der baden-württembergischen Gemeinde Gaggenau den Auftritt des türkischen Justizministers Bekir Bozdağ aus Sicherheitsgründen abgesagt hat, ist ein pragmatischer Weg, denn Berlin lässt die Länder und Gemeinden politisch im Regen stehen. Ein ehrlicher Weg wäre ein klares Wort der deutschen Regierung an Ankara, dass derartige Propagandaauftritte nicht geduldet werden – weder als offizieller Besuch noch getarnt als "Privatbesuch" wie beim Auftritt des türkischen Premiers Binali Yıldırım in Oberhausen vor zwei Wochen oder als "Theaterveranstaltung", wie der geplante Auftritt des Wirtschaftsministers Nihat Zeybekçi von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) angemeldet wurde.

Mit dem Referendum im April wird die Türkei endgültig zur faschistischen Diktatur. Dieser Staat kann und darf kein Verbündeter Berlins und der EU sein. Seine Vertreter dürfen nicht innerhalb der EU Propaganda für ein illegitimes, antidemokratisches Referendum betreiben. In Österreich hat zuletzt Außenminister Sebastian Kurz diesbezüglich klar Position bezogen: Der Export der innertürkischen Konflikte ist unerwünscht.

Die europäischen Regierungen wären gut beraten, das Referendum auf ihrem Hoheitsgebiet erst gar nicht zuzulassen. Das Außenministerium in Berlin hat darüber noch nicht entschieden. Ein Verbot wäre ein mutiges Signal – ist aber wohl aus genau diesem Grund nicht zu erwarten. (Michael Vosatka, 3.3.2017)