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Belfast/London – Nach dem schlechten Abschneiden ihrer protestantischen Unionistenpartei DUP bei der Regionalwahl am Donnerstag gerät Nordirlands Ministerpräsidentin Arlene Foster unter Druck. Der bisherige Koalitionspartner, die irisch-katholische Nationalistenpartei Sinn Féin (SF), will die 46-Jährige nicht erneut für das Regierungsamt in Belfast nominieren, zumindest so lange nicht, bis ihre Verantwortung für einen Finanzskandal geklärt ist. Auch Parteikollegen vermeiden eine Solidarisierung. "Das ist Arlenes Entscheidung", sagte Gavin Robinson, einer von acht DUP-Abgeordneten im Londoner Unterhaus, der BBC.

Die Medien ließen am Wochenende keinen Zweifel: Eine "Katastrophe" sei der Wahlausgang für die Parteien der englandtreuen Bevölkerungsmehrheit. Erstmals haben im Belfaster Regionalparlament Parteien, die der friedlichen Vereinigung mit der Republik Irland das Wort reden, ebenso viele Abgeordnete (39) wie die bisher dominierenden Unionisten (39). Die Balance halten konfessionell unabhängige Mandatsträger der liberalen Allianz (8), zwei Grüne sowie ein Sozialist.

Persönliche Konsequenzen ziehen

Bezogen auf die Zahl der Stimmen haben die Unionisten auch nach dem zweiten Urnengang binnen zehn Monaten die Nase vorn. Zwischen DUP (28,1 Prozent) und SF (27,9) lagen etwa 1200 Stimmen, zwischen der kleineren Unionistenpartei UUP (13) und der nationalistischen SDLP (12) immerhin ein ganzes Prozent. Wegen des Präferenzwahlsystems, bei dem die Wähler differenzierte Sympathien für die Parteien signalisieren können, verfügt aber die SDLP künftig über zwölf, die UUP nur über zehn Mandate. UUP-Chef Mike Nesbitt trat am Freitag zurück und erhöhte damit den Druck auf die schlimmer getroffene Foster, ebenfalls persönliche Konsequenzen zu ziehen.

Wie schwer die DUP-Nieder-lage ausgefallen ist, verdeutlicht deren künftige Fraktionsstärke: Zwar lässt sich die Sitzverteilung schlecht vergleichen, weil das Parlament von zuvor 108 auf 90 Mandatsträger verkleinert wurde. Während jedoch SF lediglich ein Mandat einbüßte und nun 27 Abgeordnete hat, verliert Foster zehn und hat nur noch 28 Mandatare.

Liberalere Politik möglich

Schwerer wiegt noch, dass Foster derart auch eine wichtige Waffe im politischen Kampf aus der Hand geschlagen wurde: Nach dem Karfreitagsabkommen von 1998, das die jeweiligen Minderheitenrechte schützen sollte, kann sich ein Drittel der Abgeordneten mit einem "Besorgnisvotum" gegen umstrittene Gesetzesvorhaben querlegen. Nun erfüllt die DUP dieses Quorum nicht mehr. Damit ist plötzlich der Weg frei für eine Liberalisierung der extrem restriktiven Abtreibungsregelung oder eine gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften.

Das Friedensabkommen von 1998 zwingt die jeweils größten Parteien der beiden Bevölkerungsgruppen zur Zusammenarbeit in der Regionalregierung. Bisher waren die beiden Parteiführer automatisch Kandidaten für die Ämter von Regierungschef und Vize.

Aufregung um "Heizskandal"

Die nordirische SF-Statthalterin Michelle O'Neill, bisher Gesundheitsministerin, sowie SF-Präsident Gerry Adams ließen am Wochenende aber keinen Zweifel daran, dass sie Foster einstweilen nicht mitwählen würden. "Zunächst muss die Untersuchungskommission des Heizskandals wenigstens ein vorläufiges Ergebnis vorlegen", forderte Adams.

Der sogenannte Heizskandal hing der bisherigen Ministerpräsidentin im Wahlkampf wie ein Mühlstein um den Hals: Während ihrer Zeit als Wirtschaftsministerin hatte Foster 2012 ein Förderprogramm für alternative Energien aufgelegt. Da jedes für Holzpellets oder Biomasse ausgegebene Pfund (1,27 Euro) mit 1,60 Pfund subventioniert wurde, installierten besonders geschäftstüchtige Bauern – eine wichtige DUP-Klientel – völlig unnötige Heizsysteme, verschwendeten Energie und strichen so bis zu sechsstellige Beträge ein. Erst im vergangenen Jahr wurde das ökologisch wie ökonomisch desaströse System gestoppt, die Kosten dürften bei umgerechnet mindestens 460 Millionen Euro liegen.

Brexit sorgt für Zwist

Zu dem lokalen Skandal kommt die Uneinigkeit über den Brexit. 56 Prozent der Nordiren folgten im vergangenen Juni der Empfehlung von SF, UUP, Allianz und anderen Parteien und sprachen sich für den EU-Verbleib aus. Hingegen hatte die DUP für den Brexit geworben. Dieser führt nun zu anhaltender Unsicherheit in dem Landesteil, dessen Grenzen zur Republik Irland 20 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs kaum noch erkennbar sind.

Da die konservative Londoner Regierung von Theresa May aber den harten Brexit samt Austritt aus dem Binnenmarkt anpeilt, stehen zukünftig an der einzigen Landgrenze der Brexit-Insel wieder Grenzkontrollen zur Debatte. Das hat schon zuletzt zu einer Zunahme der politisch-konfessionellen Spannungen geführt. (Sebastian Borger, 6.3.2017)