Den Haag/Kiew/Moskau – Die Ukraine hat Moskau die Unterstützung von "Terrorismus" durch prorussische Rebellen vorgeworfen und das höchste UNO-Gericht dazu gedrängt, dem kriegsgeplagten Osten des Landes zu helfen. "Ich stehe heute vor dem Gericht und bitte um den Schutz der Menschenrechte des ukrainischen Volkes", sagte Vize-Außenministerin Olena Zerkal (Serkal) am Montag vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH).

Die Ukraine benötige "Schutz vor der Russischen Föderation", so die Ministerin. Kiew hatte Mitte Jänner Klage in Den Haag eingereicht, um eine Verurteilung Moskaus wegen finanzieller und militärischer Unterstützung der prorussischen Rebellen in der Ostukraine zu erreichen. Außerdem wirft die Ukraine Russland die Diskriminierung von Minderheiten auf der von Moskau annektierten Krim-Halbinsel vor, vor allem gegen Krim-Tataren und Ukrainer.

Anweisung an Moskau gefordert

"Tausende unschuldige Ukrainer" seien schon Opfer tödlicher Angriffe geworden, sagte Zerkal. Alles, was Kiew verlange, sei eine "Maßnahme zur Stabilisierung und Beruhigung einer unvorhersehbaren und gefährlichen Situation".

Die ukrainischen Vertreter in Den Haag fordern von dem IGH eine Anweisung an Russland, die Lieferung von Geld, Waffen und Kämpfern in die Ostukraine zu beenden. Kiew fordert außerdem Entschädigungszahlungen für Angriffe auf Zivilisten.

Moskau wiederum weist die konkrete Unterstützung der prorussischen Separatisten in der Ostukraine zurück und sieht die Vorwürfe als politisch motiviert an. Kiew zeige außerdem einen "mangelnden Willen zu einem konkreten Dialog", monierte Moskau. Russland will am Dienstag die eigene Sicht der Dinge in Den Haag vortragen. Die Anhörungen sind bis Donnerstag angesetzt.

"Die Wahrheit ist stärker als Waffen"

Der ukrainische Staatschef Petro Poroschenko würdigte den Start der Anhörungen am Montag als "historischen Moment". "Die Wahrheit ist stärker als Waffen", schrieb er auf seiner Facebook-Seite.

Die prorussischen Separatisten kontrollieren seit 2014 weite Gebiete im Osten der Ukraine. In dem Konflikt zwischen den Aufständischen und der ukrainischen Armee wurden bereits mehr als 10.000 Menschen getötet.

Die Ukraine macht Russland auch verantwortlich für den Abschuss des Passagierfluges MH17 und den Tod von den 298 Menschen an Bord. Russland weist eine Beteiligung am Krieg in der Ostukraine stets zurück.

Streit um MH17

Im Mittelpunkt der Klage steht der Abschuss des malaysischen Flugzeuges MH17 im Juli 2014. Die Juristen Kiews zitierten ausführlich aus dem Bericht der internationalen Ermittler, nach dem die Boeing mit einer russischen Buk-Abwehrrakete über der Ostukraine abgeschossen worden war. Das Geschütz war demnach von Russland in Rebellengebiet in der Ostukraine und dann wieder zurück über die Grenze transportiert worden. Russland hatte dies als falsch zurückgewiesen. Ohne strenge Grenzkontrolle könnte "die Buk morgen zurück in die Ukraine gebracht werden", sagte der Anwalt der Ukraine, Professor Harold Koh.

Moskau zweifelt die Zuständigkeit des Gerichts an. Doch die Ukraine äußerte sich zuversichtlich. Die Sprecherin des Außenamtes, Mariana Beza, erklärte auf Twitter. "Russland entkommt der Verantwortung für die Terrorakte, Morde, Folter und andere Verbrechen nicht."

Die Den Haager Richter werden zunächst über den Antrag auf Sofortmaßnahmen entscheiden. Ein Termin steht noch nicht fest. Das anschließende Hauptverfahren kann mehrere Jahre dauern. (APA, 6.3.2017)