Geschichte eines Missbrauchs, der vertuscht werden soll: "Aisha" vom tansanischen Filmemacher Chande Omar.

Foto: Fespacos

Der Jubel ist riesengroß, und die Erleichterung ist Alain Gomis anzumerken. Nur drei Wochen, nachdem der Senegalese auf der Berlinale den Silbernen Bären gewonnen hatte, ist sein Film Félicité nun mit dem bedeutendsten afrikanischen Preis, dem Étalon d'Or de Yennenga, ausgezeichnet worden. Damit hat die Jury den Trend des 25. Fespacos (Festival panafricain du cinéma et de la télévision de Ouagadougou) in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, bestätigt. Wie nie zuvor in der 48-jährigen Geschichte des Festivals sind eine Woche lang Filme von und über Frauen im Mittelpunkt gestanden.

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"Das ist doch großartig. Wir machen schließlich auch alles", sagt etwa Zuschauerin Veronique Ouédraogo, die sich schon Tage vor der Preisverleihung von Felicité tief beeindruckt zeigte. Im Mittelpunkt steht eine Barsängerin aus der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa, deren Sohn schwer verunglückt. Sie ist gezwungen, das Geld für die dringend notwendige Operation irgendwie aufzutreiben.

Félicité ist wie viele andere Filme schwere Kost. Ähnlich düster ist Aisha des tansanischen Filmemachers Chande Omar sowie Le Pagne – so wird in Westafrika ein Stück Stoff bezeichnet – von Moussa Hamadou Djingarey. Glückliche Ausgänge sind selten.

Amil Shivji

Etwas anders geht indes Apolline Traoré vor. Mit Frontières hat zum ersten Mal die Arbeit einer Filmemacherin das alle zwei Jahre stattfindende Festival eröffnet. Das westafrikanische Roadmovie, das die Reise von vier Frauen vom Senegal bis in die nigerianische Wirtschaftsmetropole Lagos zeigt, gehörte ebenfalls zu den Favoriten. Für Naky Sy Savané, eine der Hauptdarstellerinnen, war schon der Dreh ein Erfolg: "Das ist eine Anerkennung für alle afrikanischen Frauen, die sonst immer im Schatten stehen", strahlte sie nach der zweiten Vorstellung. Filme wie diese seien wichtig für den Feminismus in Afrika.

Frontières stellt Geschäftsfrauen in den Mittelpunkt, die oft mit wenig Gewinn Waren wie Stoffe oder Plastikschmuck viele Hundert Kilometer durch Westafrika transportieren, um so ein Auskommen zu haben oder die Ausbildung der Kinder zu finanzieren. Neben der Solidarität zeigt er vor allem die ständigen Schikanen, auch große Brutalität. Dem Film gelingt es, trotz aller Tragik auch zu unterhalten.

AfricineORG Dakar

Viele Burkiner dürften ihn bisher aber nicht angeschaut haben. Gerade in den Vormittagsveranstaltungen ist das Publikum überwiegend europäisch, vor allem französisch. Das tut der Stimmung in Ouagadougou jedoch keinen Abbruch. Neben den Vorführungen gibt es Ausgehmeilen und Konzerte, die kostenfrei sind und die Stadt eine Woche lang in Feierlaune versetzen.

Von Afrika nach Vorarlberg

Um teilzuhaben, muss man nicht unbedingt einen der häufig auf Französisch gedrehten Filme gesehen haben. Tatsächlich ist das Angebot aber auf Englisch, selbst bei Untertiteln, eher begrenzt. Als der südafrikanische Filmemacher Sifiso Khanyile Uprize, eine einfache wie eindrucksvolle Dokumentation über den Schüleraufstand in Soweto im Jahr 1976, präsentiert, entschuldigt er sich fast dafür, dass sein Dokumentarfilm auf Englisch ist.

Sifiso Khanyile

Gleich auf Französisch, Arabisch und Deutsch wird eine ungewöhnliche Liebes- und Schicksalsgeschichte erzählt, die in Österreich spielt. Die über 70-jährige Karin Trappel macht sich auf die Suche nach ihrem Vater. Viel mehr als seinen Namen – Mohamed ben Bouchaïb – hat sie nicht, weiß aber, dass der Marokkaner im Zweiten Weltkrieg auf der Seite der Franzosen gekämpft hatte und 1945 nach Vorarlberg kam. Kurz nach der Geburt der Tochter musste er Österreich verlassen, und die Spur verliert sich.

Zurück bleibt ein kleines Mädchen, das als "schwarzes Kind" beschimpft wird. Im Raum steht stets die Frage, ob die Mütter der etwa 200 Kinder vergewaltigt wurden oder in Beziehungen lebten. Im Fall Karin Trappels sprechen alte Fotos für die zweite Version. Der Film des Marokkaners Jawad Rhalib ist deshalb auch ein Plädoyer für Menschlichkeit und gegen Vorverurteilung, Schweigen und Stigmatisierung. Das hat er mit vielen anderen Filmen des Festivals gemeinsam. Es steht noch nicht fest, wann Die Schwalben der Liebe in Österreich gezeigt wird. (Katrin Gänsler, 6.3.2017)