Die Inszenierung von Donald Trumps zweitem Versuch, ein Einreisedekret zu erlassen, war ganz und gar untypisch für ihn: kein Blitzlichtgewitter, keine Reporterfragen, bloß ein amateurhaftes Handyfoto seines Pressesprechers Sean Spicer, das dieser via Twitter verbreitete. Als Rahmen dann ein paar knappe, dürre Worte der Rechtfertigung von Außenminister Rex Tillerson und von Justizminister Jeff Sessions. Das war's.

Fast hätte man glauben können, der US-Präsident sei plötzlich demütig und bescheiden geworden; als habe er verstanden, dass sein erster "Travel Ban" weit über das Ziel hinausgeschossen war; als sei er nun einsichtig und habe jetzt alles korrigiert und ins Lot gebracht. Das so zu sehen wäre ein Irrtum.

Trump – beziehungsweise sein Team – hat einmal mehr bewiesen, uneinsichtig und beratungsresistent zu sein. Das neue Präsidialdekret entschärft zwar ein paar Aspekte der bereits in der ersten Fassung als verfassungswidrig erkannten Regelungen. So soll das Einreiseverbot nicht für Menschen gelten, die über eine Green Card (permanente Aufenthaltsbewilligung) oder über ein gültiges Visum verfügen. Auch tritt das Dekret nicht sofort in Kraft (das hatte im ersten Versuch noch zu massivem Chaos auf Flughäfen und Konsulaten in den USA und im Ausland gesorgt), sondern "erst" am 16. März, also in knapp eineinhalb Wochen. Ein Widerspruch zu seiner Argumentation im ersten Dekret, dass Gefahr im Verzug sei und daher sofort gehandelt werden müsse.

Doch die wahre Chuzpe an diesem Dokument ist, dass wieder selektiv Menschen aus bestimmten, nämlich muslimisch dominierten, Ländern betroffen sein werden. Bisher wurde gegen alle Bürger aus dem Iran, dem Irak, dem Jemen, aus Syrien, Libyen, Somalia und dem Sudan de facto der Generalverdacht erhoben, (potenzielle) Terroristen zu sein. Daher dürften sie nicht einreisen; das Risiko sei zu hoch, dass es sich um künftige Attentäter auf amerikanischem Boden handeln könnte.

Die Tatsache, dass der Irak nun explizit von dieser "Liste des Bösen" gestrichen wurde, widerspricht der eigenen Risikologik, mit der das Einreiseverbot für die restlichen sechs Länder weiter gelten soll.

Befremdliche Argumentation

Der Irak ist nach wie vor Kerngebiet der Terrormiliz "Islamischer Staat". Noch heute wird dort sehr blutig gegen den IS gekämpft, noch heute finden dort fast täglich Selbstmordanschläge statt – wie auch in Syrien, das auf der Liste verblieben ist. Kein Wort hingegen von Ländern wie Afghanistan, Pakistan und Saudi-Arabien – eine inkonsistente Logik.

Natürlich muss man der Trump-Regierung immerhin zugute halten, dass sie einräumt, dass bestimmte Iraker ein besonderes Schutzbedürfnis haben; nämlich vor allem jene (und deren Angehörige), die während und nach der US-Invasion 2003 für die Amerikaner gearbeitet haben. Diese Menschen können sich schon lange ihres Lebens nicht mehr sicher sein. Daher hätten für den "Verbündeten" Irak andere Regeln zu gelten. Eine befremdliche, ja, teils abstruse Argumentation: Auch in allen sechs anderen Ländern (Iran, Jemen, Syrien, Libyen, Somalia, Sudan) herrscht Lebensgefahr für große Bevölkerungsgruppen. Hier wird auseinanderdividiert, hier wird gespalten, statt verantwortungsvoll zu helfen.

Egal, ob nun sieben oder plötzlich "nur" sechs Länder auf der Liste stehen: Das Dekret ist nach wie vor diskriminierend und steht wohl neuerlich im Widerspruch zu dem Menschenrecht auf Religionsfreiheit – das sollen und werden amerikanische Verfassungsrichter sicher noch final bewerten. Die Argumentation im Dekret ist und bleibt fadenscheinig: Sogar Trumps eigenes Heimatschutzministerium hat in den vergangenen Wochen erklärt, dass die Staatsbürgerschaft Einreisender allein noch keinerlei Rückschlüsse auf eine terroristische Gefährdung der USA zulasse. Genau das wird aber neuerlich in dem Dekret insinuiert.

Am Ziel vorbeigeschossen

Auch mit diesem zweiten Dekret wird Trump sein Ziel nicht erreichen: Nämlich jenes, die USA sicherer zu machen. Allein schon eine oberflächliche Analyse aktueller Fallbeispiele in Europa hätte den Strategen im Weißen Haus klarmachen müssen, dass die Gefahr terroristischer Anschläge auf westlichem Boden meistens aus dem Land selbst kommt. Viele der Attentäter in Europa mögen zwar einen Migrationshintergrund in erster oder späterer Generation haben, wurden aber – weshalb auch immer– erst in Europa radikalisiert.

Trump und seine Berater würden gut daran tun zu beweisen, dass die USA besser als Europa und alle anderen sind, indem sie eine vernunftbetonte Migrations-, Sozial- und Bildungspolitik auf die Beine stellen. So könnten sie der Welt zeigen, dass allein die USA "great" sind.

Mit der Prolongierung des selektiven Generalverdachts hat Trump aber – wie es der demokratische US-Senator und ehemalige Präsidentschaftsanwärter Bernie Sanders analysiert – vor allem eines getan: den Terroristen ideologische Munition zu liefern und sie so bei der Suche nach Rekruten zu unterstützen. (Gianluca Wallisch, 7.3.2017)