Wien – Aurea prima sata est aetas, zuerst ist das goldene Zeitalter entstanden. So berichtet es Ovid in seinen Metamorphosen kurz nach der Zeitenwende. Ein wahrhaft goldenes Zeitalter muss es gewesen sein, was sich gut 1500 Jahre vor dem römischen Dichter in der Nähe der heutigen bulgarischen Stadt Krumovgrad abgespielt hat. Hier haben Archäologen der bulgarischen Akademie der Wissenschaften in den vergangenen Jahren einen sensationellen Fund gemacht: am Berg Ada Tepe im östlichen Rhodopengebirge gruben sie die Reste des ältesten bekannten Goldbergwerks auf europäischem Boden aus.
Für die Analysen ihrer Funde holten sich die Bulgaren Experten des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften an Bord. Auf Basis dieser Zusammenarbeit ist dem Thema nun die Ausstellung "Das erste Gold" im Wiener Kunsthistorischen Museum (KHM) gewidmet. Die Schau wurde von Hristo Popov und Stefan Alexandrov vom bulgarischen Nationalen Archäologischen Institut (NAIM) gemeinsam mit OREA-Direktorin Barbara Horejs und dem Direktor der KHM-Antikensammlung Georg Plattner gestaltet.
Während unter Thutmosis III. Ägyptens Neues Reich seine größte Ausdehnung erreichte, in Anatolien die Hethiter herrschten und in Griechenland mit der mykenischen Kultur die erste europäische Hochkultur ihre Blüte hatte, schürften am Ada Tepe die Bewohner einer bronzezeitlichen Siedlung nach Gold. Und dieses gab es reichlich, wie der Archäometallurge Mathias Mehofer vom Vienna Institute for Archaeological Science (VIAS) der Universität Wien erklärt. Der Berg hat einen sehr hohen durchschnittlichen Goldgehalt von 7,8 bis zu 638 Gramm pro Tonne Gestein. Stellenweise konnte sich das Gold durch Auswaschungen sogar auf sieben bis acht Kilogramm pro Tonne anreichern.
Arme Goldgräber
Die hohe Goldkonzentration ist auch der Grund für die Entdeckung des Bergwerks: Die kanadische Bergbaufirma Dundee Precious Metals sicherte sich die Schürfrechte am Ada Tepe und finanzierte die Ausgrabungen. Es bleibt abzuwarten, ob diesmal der Bevölkerung mehr vom Reichtum bleibt – fest steht, dass die bronzezeitlichen Bewohner des Ada Tepe nicht viel vom Gold profitierten, sagt Horejs. Die Siedlungsreste weisen auf ein bescheidenes Leben hin. Vom abgebauten Gold blieb lediglich ein winziges Schmelzkügelchen vor Ort zurück. Den Goldgräbern und ihren Abnehmern ist Barbara Horejs im Rahmen des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projektes "Das Gold des Balkans" auf der Spur.
Es ist denkbar, dass es sich bei den Bewohnern der Rhodopen um die Vorläufer der Thraker gehandelt hat, doch der Goldabbau endet um das Jahr 1000 vor unserer Zeitrechnung – die früheste Nennung der Thraker stammt jedoch erst aus Homers Ilias rund 200 Jahre später. Die Versuchung ist naheliegend, das Bergwerk vom Ada Tepe mit den Goldfunden aus den zeitgenössischen mykenischen und trojanischen Kulturkreisen in Verbindung zu bringen – nicht zuletzt, weil die Quelle des Goldes völlig unklar ist. Dass ein intensiver kultureller Austausch zwischen den Bewohnern der Rhodopen und den Hochkulturen de Ägäis stattgefunden hat, belegen archäologische Funde wie zahlreiche typisch mykenische Langschwerter, die sogenannten Rapiere und Gefäßformen, die eindeutig aus Troja stammen.
Rätselhaftes Gefäß
In der Ausstellung wird Leben und Kultur der Gesellschaft der Menschen vom Ada Tepe anhand verschiedener Fundkomplexe aus der Region greifbar gemacht. Dazu gehört auch der Schatz von Vălčitrăn, der größte Goldfund der Bronzezeit. Im Jahr 1924 war dieser von Bauern auf ihrem Land gefunden worden. Um den Schatz zu Geld zu machen, schnitten sie Blechteile auch den Objekten und verkauften sie. Aus diesem Grund sind heute einzelne Stücke des Ensembles beschädigt. Eine dreiteilige Schale, die mit Verbindungsrohren zusammengelötet ist, stellt die Wissenschaft vor ein Rätsel: welcher Funktion mag dieses Gefäß gedient haben? Dass der Vălčitrăn-Schatz direkt vom Ada Tepe stammt, konnte jedenfalls ausgeschlossen werden: es handelt sich um Flussgold unterschiedlicher Herkunft. Dieses kann jedoch natürlich unter Umständen aus Flüssen der Umgebung des Ada Tepe stammen.
Rund tausend Jahre jünger ist die bärtige Goldmaske aus dem Grabhügel von Svetica. Diese gehörte wohl einem thrakischen Fürsten, erinnert aber an die berühmte Agamemnon-Maske aus Mykene. In der Schau sind jedoch nicht nur prunkvolle Goldsschmiedearbeiten zu sehen. Mehrere mehr als zwei Dutzend Kilogramm schwere Ochsenhautbarren aus Kupfer zeugen von einem wichtigen Handelsgut der späten Bronzezeit – im Prinzip stellen die Barren als Zahlungsmittel der Zeit einen frühen und sehr unhandlichen Vorläufer des Geldes dar. Zahlreiche Keramiken, Gefäße und Werkzeuge repräsentieren Alltagsgegenstände, reiche Hortfunde von Sicheln und Beilen aus Bronze runden die Schau ab.
Im Gegenzug für die Leihgaben, die in dieser Zusammensetzung selbst in Bulgarien noch nie gemeinsam zu sehen waren, wandert ab April der Schatz von Nagyszentmiklós aus dem KHM nach Sofia. Obwohl dieser auf dem Gebiet des heutigen Rumänien gefunden wurde, bedeutet er Bulgarien sehr viel. Zwar rätselt die Wissenschaft über seinen Ursprung und die Bedeutung seiner Inschriften in griechischen Buchstaben und Runen, doch eine der Interpretationen bringt ihn mit dem ersten bulgarischen Reich in Verbindung. Doch die Bulgaren sind nicht die einzigen, die sich für das Gold von Nagyszentmiklós interessieren: auch Rumänien hat vor einigen Jahren schon einmal den Wunsch nach einer Rückgabe des Fundes deponiert. (Michael Vosatka, 8.3.2017)