Klagenfurt – Nach den belastenden Aussagen eines Landesbeamten im BZÖ-Wahlbroschüren-Prozess am Landesgericht Klagenfurt hat Oberstaatsanwalt Eberhard Pieber am Dienstagnachmittag eine Ausweitung der Anklage gegen Altlandeshauptmann Gerhard Dörfler in den Raum gestellt. Dörfler ist in der Bauangelegenheit derzeit wegen Vorteilsnahme angeklagt.
Die Staatsanwaltschaft will nun wegen möglicher Untreue bei der Vergabe von Bauaufträgen in den Jahren 2004 und 2005 eventuell die Anklage ausweiten. Wegen Untreue sind in der Causa Wahlbroschüre neben Dörfler auch die freiheitlichen Expolitiker Uwe Scheuch und Harald Dobernig sowie Ex-BZÖ-Abgeordneter Stefan Petzner angeklagt. Der ihnen vorgeworfene Schaden beträgt 219.000 Euro. Angeklagt waren auch die beiden damaligen Geschäftsführer der Kärntner Landesimmobiliengesellschaft LIG, Rene Oberleitner und Johann Polzer, die nach Eingestehen von Fehlverhalten eine Diversion erhielten.
"Klima der Angst" bestätigt
Zuvor hatten die Zeugeneinvernahmen tiefe Einblicke in die Zustände im Amt der Kärntner Landesregierung gegeben. Jener Beamte, der den Aktenvermerk über die Sponsoring-Forderung Dörflers angelegt hatte, bestätigte bei seiner Vernehmung die Aussage seines damaligen Abteilungsleiters, der am 23. Februar von einem "Klima der Angst" in der Straßenbauabteilung gesprochen hatte. Es habe praktisch zwei Klassen von Mitarbeitern gegeben, "jene, die dem politischen Referat nachgelaufen sind und eben die anderen". Gefragt, welche Konsequenzen unliebsame Beamte zu tragen gehabt hätten, meinte der pensionierte Beamte: "Wenn man nicht ein bestimmtes Angebot als bestes bewertet oder die Vorgaben der Firmen missachtet, die beim Land sehr viel zu reden gehabt haben, wurde man vom Projekt abgezogen."
Sponsorings für Firmen
Er erklärte auch, dass es damals viele Gerüchte über Sponsoring verschiedener Art gegeben habe. So hätten Firmen gefordert, dass die Eröffnungsfeiern, Spatenstiche und Derartiges vom Land refundiert würden. Ob das üblich gewesen sei, fragte Richter Christian Liebhauser-Karl. Antwort: "Das war Usus." In der Abteilung sei oft darüber geredet worden, "dass Dörfler selbst Anrufe tätigt". Es seien dem Referat auch Listen mit Namen und Telefonnummern vorzulegen gewesen, damit die Firmen erreicht werden konnten.
Ein weiterer Abteilungsleiter berichtete, dass bestimmte Firmen von der Politik bevorzugt worden seien und nannte auch Namen. Als Grund habe es gerüchtehalber geheißen "da läuft was", nämlich Zahlungen der präferierten Firmen. "Ich habe bei Vergaben immer wieder Weisungen verlangt, wenn Umreihungen angeordnet wurden. Es ist immer wieder zu Einsprüchen gegen die Vergabe gekommen, die erfolgreich waren. Ich wurde daraufhin meines Amtes enthoben und in eine Abteilung versetzt, die neu geschaffen wurde. Angeordnet wurde die Versetzung 2005 vom damaligen Landeshauptmann Jörg Haider schriftlich", so der Zeuge.
Rechnungen für "Mediengeschichten"
Er habe auch von diversen Bauleitern gehört, dass die Firmen Werbegeschenke des Straßenbaureferenten teilweise bezahlt hätten. "Es hat Rechnungen gegeben, die Landesrat Dörfler selbst abgezeichnet hat, die per Weisung von der Abteilung zu bezahlen waren." Das seien etwa Rechnungen für "Mediengeschichten" gewesen. Die Größenordnung bezifferte er mit bis zu 80.000 Euro pro Jahr. Der damalige Straßenmeister sei zeitgleich mit ihm strafversetzt worden, weil er "nicht ins politische System gepasst hat". Danach sagte er auch noch, dass ein anderer Abteilungsleiter Aktenvermerke zu Auftragsvergaben, die er verfasst habe, umgeschrieben hätte, und zwar in zwei Fällen. Die geänderten Aktenvermerke hätten dann zu den politisch gewünschten Vergaben geführt.
Zuvor hatte jener Mitarbeiter der Baufirma ausgesagt, der damals von Dörfler angerufen und um ein Sponsoring gebeten worden war. Er sei perplex über das Ansinnen gewesen, sagte er: "Das ist mir noch nie passiert." Er habe Dörfler gesagt, er sei auswärts und würde zurückrufen. Nachdem er wieder im Büro war, habe er den Verantwortlichen bei der Landesregierung angerufen und ihm das erzählt. Dieser habe ihm gesagt, er solle an die Öffentlichkeit gehen und Anzeige erstatten. Er habe dann seine Geschäftsführung konsultiert, eine Bezahlung wurde kategorisch abgelehnt. Dörflers Anwalt Gerd Tschernitz wies darauf hin, dass der Zuschlag einen Tag vor dem Telefonat Dörflers erteilt worden sei. Der Zeuge erklärte, das Schreiben mit der Zuschlagserteilung wäre zu diesem Zeitpunkt noch nicht bei der Firma eingelangt gewesen.
"Wir lassen uns ja gerne anlügen"
Wie hätte die Sponsorzahlung technisch gelöst werden sollen, wollte der Richter von dem Zeugen wissen. Dieser erklärte, es habe geheißen, "wir würden von einem Unternehmen eine Rechnung über eine Dienstleistung erhalten, die wir bezahlen hätten sollen". Er bestätigte, dass Dörfler ihn darauf hingewiesen hatte, es sei in Kärnten bei wesentlichen Bauaufträgen üblich, dass Unternehmen einen Sponsoringbeitrag leisten.
Den Abschluss des Vormittags machte der bis 2005 im Büro Dörflers für die Straßenbauprojekte zuständige Mitarbeiter. Er konnte sich an kein Baulos erinnern, an keine Umreihung. Mehrfach vom Vorsitzenden des Schöffensenats ermahnt, dass er sich möglicherweise der Falschaussage schuldig mache, blieb er trotzdem dabei, sich nicht erinnern zu können. Richter Liebhauser-Karl meinte daraufhin: "Wir lassen uns ja gern anlügen, aber nur bis zu einem gewissen Maß." Gefragt, ob er mit dem später strafversetzten Abteilungsleiter über die problematischen Vergaben gesprochen habe, die zu dessen Versetzung geführt hätten, sagte der Zeuge: "Nein, nie." Auch von der Einschaltung der Rechtsabteilung bezüglich Vergaben wusste er nichts mehr. (APA, 7.3.2017)