Psychopathen sind durchsetzungsfähig, risikofreudig, nehmen nichts persönlich und verhalten sich rücksichtslos. Das mag auf den Betrüger Jordan Belfort zutreffen, der 2013 von Leonardo DiCaprio im Film "The Wolf of Wall Street" verkörpert wurde. Es gibt aber auch eine gutartige Form der Psychopathie, wie Forscher der Universität Bonn betonen.

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Bonn – Die Sache scheint klar zu sein: Psychopathen haben keine Skrupel, sind manipulativ, handeln nur in ihrem eigenen Interesse und stehlen sich aus jeglicher sozialen Verantwortung. Menschen mit einer psychopathischen Persönlichkeit überschätzen sich und lieben den Nervenkitzel. Das macht sie anfällig für riskante Entscheidungen, die den Unternehmenserfolg gefährden können. Zugleich lässt sie ihr Charme häufig die Karriereleiter steil nach oben klettern.

"In den USA ist einer von fünf CEOs ein Psychopath", lautete das Fazit einer Studie des australischen Forschers Nathan Brooks von der Bond University, die im Herbst 2016 veröffentlicht wurde. Das ist nicht unbedingt problematisch, wie eine aktuelle Studie von Wissenschaftern der Universität Bonn nun nahelegt. Neben der dunklen Seite der Psychopathie identifizierten die Forscher nämlich auch eine helle, die zu beruflichen Spitzenleistungen führt – ohne dabei Kollegen oder das Unternehmen zu schädigen.

Antisoziale Impulsivität vs. furchtlose Dominanz

Die Wissenschaftler luden per E-Mail 161 Angestellte aus Deutschland, die in den unterschiedlichsten Bereichen arbeiteten, ein, an der Studie teilzunehmen. Zunächst fragten die Forscher persönlichen Faktoren, Bildungsgrad und die Neigung zur Psychopathie ab. Anschließend sollten jeweils zwei Kollegen zu den Arbeitsleistungen und zum Sozialverhalten der Studienteilnehmer Auskunft geben. Das Ergebnis: Manche Psychopathen können sehr hilfsbereite und sozial verträgliche Kollegen sein.

Die Forscher sprechen deshalb von einer "toxischen" und einer "gutartigen" Form der Psychopathie: "Die toxische Form kennzeichnet sich durch antisoziale Impulsivität", sagt Gerhard Blickle vom Institut für Psychologie. Solche Personen können sich nicht kontrollieren, nehmen was ihnen gefällt, agieren ohne vorher nachzudenken und schieben die Schuld auf andere. "Die potenziell gutartige Form von Psychopathie wird furchtlose Dominanz genannt", ergänzt Co-Autorin Nora Schütte. "Sie kann sich zum Schlechten, aber auch zum sehr Guten entwickeln." Menschen mit dieser Eigenschaft kennen keine Angst, haben ein ausgeprägtes Selbstbewusstein, gute soziale Fertigkeiten und sind extrem stressresistent.

Auf die Bildung kommt es an

Ob aus einem Mitarbeiter mit furchtloser Dominanz ein sozial verträglicher Kollege wird, hängt der Studie zufolge vor allem von der Bildung ab. Während Personen mit furchtloser Dominanz und niedriger Bildung Verhaltensweisen an den Tag legen, die Unternehmen schädigen können, werden solche "Psychopathen" mit hoher Bildung von ihren Kollegen am Arbeitsplatz als tüchtig und in keiner Weise antisozial auffällig beurteilt.

In bestimmten Berufen – wie etwa Krisenmanager oder Notfallarzt – können sie sogar zu Höchstleistungen auflaufen, betonen die Wissenschafter. "Diese Befunde bestätigen die bisher wenig beachtete Theorie, dass Psychopathie zwar sehr häufig zu antisozialem Verhalten führen kann, aber eben nicht muss", resümiert Blickle. (red, 8.3.2017)