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Die Soldaten landeten mit einem Hubschrauber auf dem Dach des Spitals

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Afghanische Sicherheitskräfte am Anschlagsort in Kabul.

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Kabul – Als Ärzte und Pfleger verkleidete Kämpfer der Terrormiliz IS haben in der afghanischen Hauptstadt Kabul ein Militärkrankenhaus überfallen und dabei Dutzende Menschen getötet. Das Verteidigungsministerium berichtete am Mittwoch von mindestens 30 Todesopfern – darunter Frauen und Kinder – und 100 Verletzten. Der Anschlag löste international Empörung aus.

Die vier Attentäter schafften es als Ärzte verkleidet in weißen Kitteln in das Hospital – und schossen dort sieben Stunden lang um sich, wie es hieß. Der Sprecher des Verteidigungsministerium Daulat Wasiri verkündete erst nach Ende des Angriffs die wahren Opferzahlen. Zuvor hatten er und Sprecher des Gesundheitsministeriums hartnäckig von vier Toten gesprochen.

Selbstmordanschlag

Zu Beginn des Angriffs auf das 400-Betten-Krankenhaus Sardar Mohammad Daud Chan sprengte sich Sicherheitskreisen zufolge ein Selbstmordattentäter am Tor in die Luft. Ein weiterer wurde schnell erschossen, die übrigen drangen in die Klinik ein und verschanzten sich. Von den dramatischen Szenen, die sich dort abspielten, drang nur wenig nach außen. Sie ließen sich aber erahnen.

Über dem achtstöckigen Gebäude kreisten Militärhubschrauber, die Spezialkräfte auf dem Dach absetzten und Patienten mitnahmen. Fotos zeigten, wie hoch oben im achtstöckigen Gebäude drei Menschen aus einem Fenster stiegen und verzweifelt versuchten, sich geduckt auf dem schmalen Sims zu verstecken. Anwohner berichteten in den sozialen Medien von mehreren Explosionen – in der Klinik warfen die Angreifer mit Handgranaten. Ein Klinikmitarbeiter in grüner Krankenhauskleidung namens Abdul Qadir erzählte einem Fernsehsender, wie einer der bewaffneten Männer auf ihn, dann einen Kollegen geschossen habe.

Zeugen berichteten, der Angriff sei völlig überraschend gekommen. "Plötzlich wurde geschossen, und ein Bewaffneter feuerte auf jeden", sagte Zahir Chan, der sich unter einem Tisch versteckte. "Er schoss auf Ärzte, Patienten und Besucher." Einige Patienten klettern aus den Fenstern, um sich in Sicherheit zu bringen.

Am späten Nachmittag sei die Lage unter Kontrolle gewesen. Alle vier Angreifer seien getötet worden, teilte das Verteidigungsministerium mit.

In einer Erklärung der als IS-Sprachrohr geltenden Agentur Amaq hieß es, Kämpfer des "Islamischen Staates" (IS) hätten das Krankenhaus angegriffen. Präsident Ashraf Ghani sprach von einer Terrorattacke, die gegen alle menschlichen Werte verstoße. Der IS hat im vergangenen Jahr mehrere Anschläge vor allem auf schiitische Einrichtungen in Kabul verübt. Die radikalislamischen Taliban bestritten, etwas mit dem Angriff zu tun zu haben.

Dass das Ziel des Angriffs ein Krankenhaus war, rief international sofort Empörung hervor. Die Weltgesundheitsorganisation teilte mit, Krankenhäuser dürften keine Ziele sein. Das ist schon lange keine Realität mehr. Die UN hatten 2015 und 2016 in Afghanistan mehr als 240 Angriffe auf Kliniken und medizinisches Personal gezählt. Anfang Februar schon hatten sie gemeldet, dass 2016 bei sehr viel mehr Selbstmordattentaten als im Vorjahr die Zahl der zivilen Opfer um 75 Prozent in die Höhe geschossen war.

Die internationale Organisation Ärzte ohne Grenze (MSF) verurteilte des Angriff am Mittwoch ebenfalls scharf. Attacken auf medizinische Einrichtungen, Personal sowie Patienten seien "nicht akzeptabel" und "massive Verletzung des Internationalen Völkerrechts", so die Hilfsorganisation in einer Stellungnahme. "Krankenhäuser müssen sichere Orte für Ärzte bleiben, um Verwundete und Kranke zu versorgen. Jeder Mensch hat das Recht, in Sicherheit medizinisch behandelt zu werden; egal ob es Frauen, Männer, Kinder oder verwundete Kämpfer sind", so MSF.

In der Klinik im Diplomatenviertel in Kabul werden Militärangehörige aus dem ganzen Land behandelt. Sie liegt an einer großen Kreuzung. Auf der anderen Straßenseite befindet sich die stark gesicherte US-Botschaft.

Vergangene Woche waren in Kabul bei Angriffen von Taliban-Kämpfern auf eine Polizeiwache und ein Geheimdienstbüro Dutzende Menschen getötet worden.

Der IS ist noch recht neu in Afghanistan und hat seine Präsenz bisher weitgehend auf zwei Provinzen im Osten des Landes beschränkt. Eine große Kämpferbasis hatte er nie, und Hunderte Anhänger waren in den vergangenen Monaten bei Luftangriffen der USA und der afghanische Luftwaffe getötet worden.

Trotzdem gibt es im Osten weiter Berichte über Angriffe des IS auf Regierung und Gemeinden. Und auch die Kabuler Zelle wird aktiver. Erst im Februar hatte der IS bei einem Angriff auf das höchste Gericht des Landes mindestens 22 Menschen getötet.

Für Kabul war der neue Angriff ein Schock. Erst vor einer Woche hatten radikalislamische Taliban bei einem Doppelanschlag auf eine Polizeistation und ein Geheimdienstbüro mindestens 23 Menschen getötet und mindestens 107 verletzt. (APA, 8.3.2017)