Geschäftsgeheimnisse haben erhebliche wirtschaftliche Bedeutung – diesem Umstand hat die EU mit einer Harmonisierungsrichtlinie Rechnung getragen, in der neben dem Geschäftsgeheimnis auch die Schutzposition des Inhabers definiert wird.

Illustration: Davor Markovic

Dominik Hofmarcher ist Rechtsanwalt bei Schönherr.

Stefan Kühteubl ist Partner bei Schönherr Rechtsanwälte.

Ob starke Brands, moderne Designs, neue technische Lösungen oder Kreativleistungen: Geistiges Eigentum gehört unstrittig zu den wichtigsten Assets innovativer Unternehmen. Geschützt wird es insbesondere durch Immaterialgüterrechte wie registrierte Marken, Muster, Patente oder auch das Urheberrecht. Aber nicht jede wertvolle Information, die einen Wettbewerbsvorsprung vor Mitbewerbern verschafft, ist einem solchen Schutz zugänglich (man denke etwa an Kundendaten oder Marktforschungsergebnisse).

Zudem ist eine Absicherung durch – territorial und zeitlich mitunter begrenzte – gewerbliche Schutzrechte nicht nur mit der Offenlegung der wertvollen Informationen, sondern auch mit erheblichen Kosten verbunden. Es verwundert daher nicht, dass Unternehmen Geschäftsgeheimnisse als genauso wichtig einschätzen wie Patente und andere Formen von Rechten des geistigen Eigentums.

Gestärkter Geheimnisschutz

Dieser erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung wurde der rechtliche Schutz bisher nicht gerecht. Die EU hat dies erkannt und eine Harmonisierungsrichtlinie (2016/943) erlassen, in der nicht nur das Geschäftsgeheimnis, sondern auch die Schutzposition des Inhabers definiert wird. Die Richtlinie soll die Rechtssicherheit erhöhen und die Rechtsdurchsetzung erleichtern; sie ist bis Juni 2018 umzusetzen.

Im Unterschied zu Immaterialgütern wird geheimes Know-how aber nicht absolut geschützt und einem Unternehmen ausschließlich zugeordnet. Vielmehr bleiben die unabhängige Entdeckung und selbst das Reverse Engineering durch Dritte zulässig.

Der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses kann sich aber gegen den unrechtmäßigen Erwerb (z. B. Spionage), die unrechtmäßige Nutzung bzw. Offenlegung (z. B. nach Ablauf eines Know-how-Lizenzvertrages) und bei Verschulden auch gegen den Vertrieb rechtswidrig erzeugter Produkte zur Wehr setzen. Das Rechtsschutzinstrumentarium wird dabei im Wesentlichen jenem der Immaterialgüterrechte entsprechen.

Neue Schutzvoraussetzungen

Akuter Handlungsbedarf ergibt sich aus den Schutzvoraussetzungen. Geschützt sind nämlich nur jene Informationen, die

  • weder allgemein bekannt noch ohne weiteres zugänglich – also geheim – sind,
  • einen kommerziellen Wert haben, weil sie geheim sind und
  • Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen sind.

War nach österreichischem Recht bisher ein subjektiver Geheimhaltungswille ausreichend, muss nunmehr nachgewiesen werden, dass angemessene Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Unternehmen sind daher gut beraten, schon jetzt Know-how-Schutzstrategien zu entwickeln, zu implementieren und deren Einhaltung auch zu kontrollieren. Dabei sollte das vorhandene, vertraulich zu behandelnde Wissen zunächst identifiziert und gewichtet werden, um sodann jeweils die adäquaten Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Dazu zählen:

  • Kreis der Geheimnisträger so klein wie möglich halten und nur die notwendigen Informationen offenlegen;
  • Identität der Geheimnisträger feststellen und sie vertraglich zur Geheimhaltung verpflichten;
  • geheime/vertrauliche Dokumente eindeutig als solche kennzeichnen;
  • technische Schutzmaßnahmen (Zugangsbeschränkungen, Passwortschutz, Verschlüsselungen etc.) implementieren.

Eingeschränkte Arbeitnehmer

Einen Wettbewerbsvorsprung schaffen Geschäftsgeheimnisse nur dann, wenn sie von den Unternehmensbediensteten auch entsprechend zum Vorteil des Unternehmens genutzt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich aber unweigerlich die Frage, inwieweit der Arbeitgeber verhindern kann, dass Arbeitnehmer Geschäftsgeheimnisse während des laufenden Arbeitsverhältnisses oder nach dessen Ende offenlegen oder im Rahmen einer Konkurrenztätigkeit verwerten.

Es ist in Österreich unstrittig, dass sich während des aufrechten Arbeitsverhältnisses eine Geheimhaltungsverpflichtung schon aus der Treuepflicht ergibt. Nach der Rechtsprechung endet allerdings diese Geheimhaltungsverpflichtung mangels Bestehens einer gesonderten Vereinbarung mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Will der Arbeitgeber die Geheimhaltungsverpflichtung auch danach aufrechterhalten, bedarf es somit klarer vertraglicher Regelungen.

Diese Grundsätze werden durch die Richtlinie im Wesentlichen zwar fortgeführt, nach der bisherigen österreichischen Praxis waren aber nachvertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen – im Gegensatz zu den in der deutschen Rechtsprechung aufgestellten Vorgaben – recht pauschal gehalten. Dies könnte sich nun ändern: Ob eine allgemein gehaltene Klausel als eine von der Richtlinie geforderte "angemessene Geheimhaltungsmaßnahme" anerkannt wird oder den Schutz des Geschäftsgeheimnisses entfallen lässt, wird zukünftig wohl der EuGH ausloten.

Mobilität soll erhalten bleiben

Die neue Richtlinie macht jedenfalls schon in Artikel 1 klar, dass keine Einschränkung der Mobilität der Arbeitnehmer bezweckt ist und sie keine Grundlage für die Beschränkung der Nutzung von "Erfahrungen und Fähigkeiten" bietet, "die Arbeitnehmer im normalen Verlauf ihrer Tätigkeit ehrlich erworben haben." Diesbezüglich müsste sich der Arbeitgeber also auf die vertragliche Haftung zurückziehen, sofern entsprechende vertragliche Vereinbarungen nach nationalem Recht zulässig sind.

Was ist "Erfahrungswissen"?

Damit langt man bei der für die österreichische Praxis wohl wesentlichsten Änderung an. Was ist das "Erfahrungswissen" eines Arbeitnehmers, wo beginnt es, und wo endet es? Auch dazu werden die Gerichte – allen voran der EuGH – erst Leitlinien herausarbeiten müssen.

Weniger problematisch scheint diese Abgrenzung dort, wo dem Arbeitnehmer ohne sein Zutun bestehende Geschäftsgeheimnisse anvertraut werden. Schwieriger wird es, wenn wichtiges Know-how vom Arbeitnehmer selbst geschaffen wurde und etwa kraft arbeitsvertraglicher Bestimmungen dem Arbeitgeber zustehen soll. Noch unklarer wird es dort, wo es nicht um bloßes Faktenwissen, sondern etwa um die Kenntnis eines bestimmten Kundenverhaltens geht. Ist das Wissen um bestimmte Kundenvorlieben, die im Einzelfall eine Auftragsvergabe beeinflussen können, ein schutzfähiges Geschäftsgeheimnis oder Erfahrungswissen?

Vertreter dürfen vieles wissen

Schließlich wird auch die Ausnahmeregelung in Artikel 5 der Richtlinie Gelegenheit für kontroversielle Ansichten bieten. Nach dieser Vorschrift ist die Offenlegung durch den Arbeitnehmer gegenüber seinem Vertreter – etwa in einem Rechtsstreit – zulässig, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben des Vertreters erforderlich ist. Bereits jetzt ist es in Österreich sehr umstritten, wo die Grenzen derartiger Offenlegungsrechte zu ziehen sind.

Wer jedoch genau unter den Begriff "Arbeitnehmervertreter" fällt, lässt die Richtlinie offen: Dabei kann es sich "nur" um Rechtsanwälte und in einem Rechtsstreit einschreitende AK-Juristen handeln oder aber auch – und das ist wahrscheinlich der Fall – um Betriebsräte.(Dominik Hofmarcher, Stefan Kühteubl, 9.3.2017)