Um Straftaten von Mitarbeitern zu verhindern, investieren Unternehmen immer häufiger in Präventionsmaßnahmen wie Compliance, interne Kontrollsysteme und (straf)rechtliche Schulungen.

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RA Dr. Jakob Urbanek ist Partner der Dietrich Rechtsanwalts GmbH in Wien.

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Die Betrugsanzeige des Verteidigungsministeriums gegen Airbus wegen der Eurofighter ist nicht der erste Fall, aber einer der prominentesten: Seit das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) am 1. 1. 2006 in Kraft getreten ist, können nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen vor einem Strafgericht verurteilt werden.

Da diese – in erster Linie handelt es sich um Kapitalgesellschaften – nicht selbst handeln können, wird ihnen das Handeln ihrer Geschäftsleitung und ihrer Mitarbeiter zugerechnet. Dies kam einem Paradigmenwechsel gleich, denn strafrechtliche Grundprinzipien mussten auf Verbände umgelegt werden.

Verfassungsrichter segnen Gesetz ab

Mehrfach wurde der Verfassungsgerichtshof angerufen, um das VbVG aufzuheben. Bisher konnte der VfGH jedoch immer aus formalen Gründen eine Entscheidung in der Sache vermeiden. Im Vorjahr wurden erneut Gesetzesprüfungsverfahren angestrengt. Diesmal konnte der VfGH nicht umhin, das Gesetz auch inhaltlich prüfen. Im Dezember 2016 bestätigten die Höchstrichter die Verfassungsmäßigkeit und damit die Verurteilung von Unternehmen für Straftaten ihrer Entscheidungsträger und Mitarbeiter (G 497/2015, G 679/2015).

Die Kritik am VbVG, etwa dass es gegen den Schuldgrundsatz verstoße, ließ der VfGH nicht gelten. Besteht ein "hinreichender Konnex" zwischen dem Unternehmen und den straffälligen Unternehmensangehörigen, ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dieses Unternehmen dafür auch verantwortlich zu machen. Dieser Zusammenhang ist nach Ansicht des Gerichtshofs durch die Zurechnungskriterien im VbVG hinreichend hergestellt, weil entweder eine Tatbegehung zugunsten des Unternehmens oder die Verletzung von Pflichten, die das Unternehmen treffen, vorliegen muss.

Strafe nicht einzige Rechtsfolge

Um Straftaten von Mitarbeitern zu verhindern, investieren Unternehmen immer häufiger in Präventionsmaßnahmen wie Compliance, interne Kontrollsysteme und (straf)rechtliche Schulungen, obwohl die maximale Strafdrohung von 1,3 Millionen Euro bei Wirtschaftsdelikten nicht sonderlich abschreckend wirkt. Vielmehr fürchten Unternehmen durch strafrechtliche Ermittlungen Reputationsverlust, negative Auswirkungen auf Zivilverfahren oder die Beeinträchtigung des laufenden Geschäftsbetriebes.

Zusätzlich zu der Verhängung einer Strafe können Vermögenswerte, die der Täter durch die Straftat oder für die Tatbegehung erlangt hat, für verfallen erklärt werden. Straftäter sollen keinen Vorteil aus ihrer Straftat ziehen. Der Verfallsausspruch zielt daher darauf ab, dass der Zustand vor der Tat wiederhergestellt wird.

200 Millionen Euro für verfallen erklärt

Im Ernstfall kann der Verfall die Strafhöhe um ein Vielfaches übersteigen, insbesondere bei Unternehmen: 2007 wurde Siemens in Deutschland in der Schmiergeldaffäre zu 201 Millionen Euro verurteilt. Die maximale Verbandsstrafe betrug eine Million, die restlichen 200 Millionen Euro stellen den rechtswidrig erlangten wirtschaftlichen Vorteil dar, der für verfallen erklärt wurde.

Die österreichische Rechtslage ist vergleichbar mit der deutschen, sodass derartige Fälle auch hierzulande denkbar sind. Um in der Zukunft einen gemeinsam mit einem Strafurteil ausgesprochenen Verfall einbringlich zu machen, erlassen Staatsanwaltschaften immer öfter Sicherstellungsanordnungen – auch gegen Unternehmen.

Die Unsicherheit hinsichtlich der Verfassungskonformität sowie Berührungsängste mit der jungen, komplexen Materie trugen dazu bei, dass bisher nur wenig nennenswerte Verurteilungen vorliegen. Weder beim VbVG noch beim Verfall haben die Ermittler sämtliche Möglichkeiten gegen Unternehmen ausgeschöpft. Nachdem der VfGH nun entschieden hat, dass er keine verfassungsrechtlichen Bedenken sieht, sollte mit der Zurückhaltung Schluss sein.

Zuerst gegen das Unternehmen

Nach dem Willen der Justiz sollen Unternehmensstraftaten jetzt verstärkt verfolgt werden. Man denkt aber auch offen an andere, "neue" Anwendungsfälle. Wenn zu Beginn von Ermittlungen gegen natürliche Personen die Verdachtslage noch unklar ist oder nicht ausreicht, um konkrete Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten, könnte zunächst gegen das Unternehmen selbst vorgegangen werden.

Mit diesem neuen Ermittlungsansatz haben Justizvertreter zuletzt bei Fachtagungen aufhorchen lassen. Dieses Ansinnen ist nicht von der Hand zu weisen. Denn das VbVG lässt sogar eine Verurteilung zu, ohne den eigentlichen Täter im Unternehmen feststellen zu können, sofern zumindest der Personenkreis des Täters konkretisiert werden kann, also etwa eine bestimmte Abteilung.

Bei hinreichendem Verdacht, dass ein Unternehmensangehöriger eine Straftat zugunsten des Unternehmens begangen hat oder Unternehmenspflichten durch die Tat verletzt wurden – sogar wenn das Unternehmen dadurch einen Nachteil erlitten hat -, ist der Weg für Ermittlungen gegen das Unternehmen frei. Die Ermittlungsbehörden könnten demnach zuerst bei dem Unternehmen "anklopfen" und dort wichtiges Beweismaterial sicherstellen, was die Ermittlungsarbeit gegen die natürlichen Personen erheblich erleichtert. (Jakob Urbanek, Wirtschaft & Recht Journal, 9.3.2017)