Wien – Eine Zugabe hat sie dem Auditorium (auch US-Kollegin, Geigerin Hilary Hahn lauschte) schließlich doch vorenthalten. Gemessen an der zuvor freigesetzten Energie hat Violinistin Janine Jansen allerdings bei Jean Sibelius' Violinkonzert d-Moll op. 47 die Encores quasi bereits mitgeliefert. Die Niederländerin hatte sich technisch souverän und impulsiv hineingestürzt – in die romantischen Kantilenen und improvisatorisch anmutenden instrumentalen Kapriolen.

Assistiert vom formidablen NHK Symphony Orchestra Tokyo unter seinem kundigen Chefdirigenten Paavo Järvi ging Jansen also weit über das brillante Buchstabieren der großen Vorlage hinaus. Ihr Ton suggeriert mit fahlen Mitteln fragile Resignation oder evoziert mit üppigem Vibratoeinsatz brennende Emphase. Frappant dabei die Attacke, mit der Phrasen angeheizt werden, um bei Bedarf jäh ins Delikat-Süßliche abzutauchen. Selbst simple Tonleitern gefrieren ihr nicht zu eisiger Instrumentalgeometrie, werden zu Trägern emotionaler Aussagen.

Järvi, seit 2015 Chef des Orchesters, ist souveräner Begleiter und später weitaus mehr. Einst hat er mit der Deutschen Kammerphilharmonie durch Detailarbeit in Beethovens Symphonik überraschende Nuancen entdeckt. Mit dem NHK Orchestra (es ist die erste gemeinsame Europatournee, sie führt u. a. nach Berlin, Amsterdam und auch London) steht ihm ein kultivierter, technisch souveräner Klangkörper zur Verfügung, der sich in allen Abteilungen auf klares Spiel versteht. Es herrscht ein sachlicher Ton, der bei Schostakowitschs Symphonie Nr. 10 e-moll op. 93 den Werkcharakter dann auch exakt trifft:

Es schwebt die abstrakte Poesie quasi als kühles Dunkel einher, um in Angstmusik von gnadenloser Dichte zu kippen. Die Brutalität des zweiten Satzes wird dabei mit hoher Prägnanz absolviert. In Summe ist es eine ungeschminkte Aufführung – mit Intensität ohne Sentiment. Letzteres leuchtet bei Sibelius' Valse triste op. 44/1 in agogischen Feinheiten auf. Ansonsten aber auch hier: unparfümierte Kantilenen, eine Poesie, welche durch Diskretion betört. (Ljubisa Tosic, 8.3.2017)