Ministerin Pamela Rendi-Wagner freut sich auf die neue Aufgabe.

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Wien – Es gleicht schon fast einer unbeabsichtigten Feuerprobe, die die Ärztekammer für die neue Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) bereitstellte. Etwa zeitgleich mit der Vorstellung der Nachfolgerin der verstorbenen Sabine Oberhauser präsentierte die niederösterreichische Standesvertretung einen Zwischenstand ihres Volksbegehrens "SOS-Medizin". 26.811 Unterstützungserklärungen wurden gesammelt, Ende Juni will die Kammer das Volksbegehren einreichen. Einen Notruf muss die Neoministerin nicht absetzen, dennoch kommen einige Baustellen auf ihre beiden Ressorts – Gesundheit und Frauen – zu.

  • Primärversorgung: Obwohl sich Ärzte, Ministerin und Hauptverband darüber einig sind, wie wichtig der Ausbau der wohnortnahen Versorgung für die Bevölkerung ist, bei der Ausgestaltung gibt es große Interpretationsunterschiede. Das zeigt sich vor allem im Streit um das seit mehr als einem Jahr geplante Gesetz, gegen das sich die Ärztekammer wehrt. Bei der Primärversorgung sollen ein oder mehrere Allgemeinmediziner als erste Anlaufstelle bei Beschwerden fungieren. Zentral ist dabei auch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Gesundheitsberufe, etwa mit diplomierten Pflegekräften, Psychologen oder Physiotherapeuten. Auch längere Öffnungszeiten sollen dadurch gewährleistet werden. Der jüngste Gesetzesentwurf sieht vor, dass das in Zentren zusammengefasst werden kann, aber auch über Vernetzung möglich sei. Die Standesvertretung sieht dadurch den Hausarzt gefährdet. Im Entwurf zum PHC-Gesetz wird allerdings auch hervorgehoben, dass Ärzten mit bestehenden Kassenverträgen Vorrang bei der Errichtung von Primärversorgungseinrichtungen eingeräumt wird. Die Sorge der Kammer, dass Konzerne Primärversorgungszentren gewinnorientiert führen, will das Ministerium mit der Formulierung entkräften, dass "beherrschende Eigentümerstrukturen" verhindert werden sollen.
  • Fachärzte: Ist die Primärversorgung auf Schiene, ist für diese Legislaturperiode auch die Neuordnung des niedergelassenen Facharztbereichs geplant. Außerhalb der Spitäler sollen verschiedene Fachärzte unter einem Dach zusammenarbeiten, bis Ende des Jahres soll es dafür eine gesetzliche Basis geben. Das wurde im Jänner für das adaptierte Regierungsprogramm beschlossen. Ob die Standesvertretung dabei ähnlich viel Widerstand leistet, ist fraglich – bis dahin sind die derzeit laufenden Ärztekammerwahlen geschlagen.

  • Gesundheitsreform: Das Ziel der 2013 beschlossenen Gesundheitsreform sind weniger Doppelgleisigkeiten und einfachere Strukturen. Doch die föderalistische Basis – Krankenanstalten sind Ländersache, für den niedergelassenen Bereich zahlen die Sozialversicherungen – wurde nicht angetastet. Hier muss Rendi-Wagner einen Weg finden, alle Stakeholder zu mehr Effizienz zu bewegen.

  • Sozialversicherung: Das System ist mit 19 Krankenversicherungen eher unübersichtlich – und teuer. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hat für alle Sozialversicherungen (auch Pensions- und Unfallkassen) eine Effizienzstudie bei der London School of Economics in Auftrag gegeben. Bis Mitte des Jahres sollen Ergebnisse vorliegen, wird eine Vereinfachung der Krankenkassen empfohlen, ist Rendi-Wagner gefragt.

  • Medikamentenpreise: Mit neuen Arzneien können Pharmafirmen die höchsten Gewinne erzielen. Damit sie aber für Patienten zugänglich sind, müssen sie in den Erstattungskodex des Hauptverbands aufgenommen werden. Das passiert aber nicht immer. Für neue Medikamente, die mehr als 700 Euro pro Packung kosten, wird aktuell eine gesetzliche Regelung verhandelt, damit die Sozialversicherungen auf die Kosten achten können, aber die Medikamente dennoch erhältlich sind.

  • Gesundheit und Prävention: Das sind die Themen, mit denen sich Rendi-Wagner schon als Sektionschefin für öffentliche Gesundheit beschäftigt hat. Sie kündigt an, dass sie sich für einen "fairen Zugang" zum Gesundheitssystem einsetzen will. Außerdem will sie auf Präventionsarbeit und Aufklärung setzen. Die Lebenserwartung dürfe nicht vom Bildungsstand, Wohnort oder von Arbeitsbedingungen abhängen. Die Menschen sollen nicht nur länger leben, sondern länger gesund bleiben. (Marie-Theres Egyed, 8.3.2017)