Spannungsvoll: die aus Stahl und Gusssand gebauten Objekte Angelika Loderers in der Secession.


Foto: Matthias Bildstein

Wien – Einen kleinen Blick in die Zukunft scheint aktuell die Secession zu gewähren. So könnte es zumindest der Titel einer Installation von Gabriel Sierra im Untergeschoß vermuten lassen: The First Impressions of the Year 2018 (During the early days of the year 2017). Betritt man die Galerie, wird schnell klar, dass der Titel auch schon das Üppigste an Sierras minimalistischer Rauminstallation ist.

Der Künstler entschied sich, sämtliche Einbauwände der Galerie zu entfernen, den Raum quasi zu entkleiden, um ihn anschließend mit rosaroten, schaufensterartigen Kästen auszustaffieren. Knapp über dem Boden hängen sie, in ihren Dimensionen den jeweiligen Wänden angepasst und den nackten Raum mit einer neuen geometrischen Ordnung strukturierend. In den Schaufenstern ausgestellt ist, in verschiedenen Größen: Leere. Beleuchtet ist diese dabei nicht von künstlichem Licht. Einzig ein wenig Tageslicht fällt (oder fällt auch nicht) durch schmale, nunmehr offengelegte Fenster herein, um sich zu verlieren. Ja, es ist zu weiten Teilen eher finster in Sierras Schau.

Schlechte Aussichten also für 2018? Das wäre ein Missverständnis. Sierras Installation ist als "Übergangsraum" gemeint, als ein Raum weniger des Faktischen denn des Möglichen, angesiedelt zwischen allen Zeiten.

Der Titel seiner Arbeit versteht sich als "Regieanweisung", die Schaukästen gewissermaßen als Projektionsfläche für eigene Fantasien zu nutzen. Und ja, natürlich: Die Zukunft macht man sich am besten selbst.

Der hauptsächliche Reiz von Sierras Installation liegt jedenfalls in einer völlig eigentümlichen Sinnes- und Raumerfahrung, die hier zu machen ist.

Formstabiler Sand

Während Sierras Installation den Kontext des Ausstellungsraums an sich in den Fokus rückt, sind diese Themen in Angelika Loderers Ausstellung nicht vordringlich. Untergebracht im Grafischen Kabinett, komplettiert die 1984 in Feldbach geborene Künstlerin das aktuelle Ausstellungstrio um Svenja Deiningers schöne abstrakte Malerei im Hauptraum (der STANDARD berichtete).

Wie Glaskästen wirken Loderers wunderschöne Objekte auf den ersten Blick. In aufragenden Quadern türmt sich auf mehreren Ebenen Sand auf, der sich gegen die "Scheiben" drückt, durch diese in Form gebracht zu werden scheint. Allerdings nur vermeintlich, denn: es fehlt das Glas.

Tatsächlich bleiben die Sandflächen hier wie durch Zauberhand in ihrer glatten Form, während die Kanten der Quader durch Stahlstangen markiert sind. Ja, es handele sich um sehr fragile Konstruktionen, sagt Loderer.

Die Pointe hinter diesen sehr spannungsvollen Arbeiten liegt im verwendeten Material. Loderer benutzte Gusssand, wie er in der Metallgießerei eingesetzt wird.

Man verwendet das außerordentlich formstabile Granulat für die Herstellung von Gussformen – ein Verfahren, das ihr als Tochter eines Kunstgießers seit der Kindheit vertraut ist. Sie holt also ein Material, das gemeinhin nur Mittel zum Zweck ist, aus dem Schatten, auf dass dieses selbst zur "Sprache" komme. Zudem zitiert und "imitiert" der Sand die Dauerhaftigkeit und Härte jenes Materials Eisen, dem er dient.

Tatsächlich in Plexiglaskästen eingeschlossen ist schließlich eine Reihe von Objektbildern, in denen die Künstlerin mit Pilzkulturen experimentiert: Auf feuchte Holzplatten montierte Fotos werden darin, grob gesagt, allmählich vom Schimmel aufgefressen, und zwar "live" über die Dauer der Ausstellung.

Diese Fotos zeigen etwa Metallskulpturen aus der Hand Loderers – und werden, wenn alles nach Plan verläuft, 2018 jedenfalls nicht mehr existieren. (Roman Gerold, 8.3.2017)