Wien – Ein Refugium, das vor dem Absturz auf die Straße schützt: Das bietet das "Lilith Wohnzimmer" in Krems. "Wir wollen Frauen, die in finanzielle Not geraten sind, eine Auszeit ermöglichen, um ihr Leben neu zu ordnen", sagt Margarete Purkarth von der örtlichen Frauenplattform. Doch mit einem habe sie nicht gerechnet: "Dass Frauen bestraft werden könnten, die bei uns einziehen".

Genau das habe sich mit der Reform der Mindestsicherung in Niederösterreich aber abgezeichnet. Die neue Regelung begrenzt den Maximalbetrag nicht nur für Familien mit 1.500 Euro, sondern auch für Menschen, die in einer Wohngemeinschaft leben. Obwohl sich die Frauen in der Sechs-Zimmer-Wohnung fremd seien und dort nur zufällig Tür an Tür wohnten, habe der Leiter des Sozialamts Krems das Lilith-Projekt als eine ebensolche WG eingestuft, erzählt Purkarth: "Das würde heißen: Jede Frau, die zusätzlich einzieht, schmälert das Einkommen der anderen."

Hilfsprojekt ad absurdum geführt

Bei Vollbelegung könnte jede Frau, sofern es sich bei allen um Mindestsicherungsbezieherinnen handelt, folglich maximal 250 Euro im Monat erhalten; wer allein wohnt, kann hingegen auf bis zu 844 Euro kommen. Das würde nicht nur Frauen ärmer machen, die ohnehin schon arm sind, sondern führe das Projekt ad absurdum, sagt die Leiterin: "Wir sind ja nicht bösartig , sondern warnen die Frauen vor den Folgen. Zwei Anwärterinnen haben deshalb bereits verzichtet. Die wurschteln nun halt weiter."

Um der Falle auszuweichen, müssten die Projektbetreiber mehrere kleinere Wohnungen anmieten, "doch das wird dann viel teurer". Was Purkarth besonders widersinnig erschien: Das Land Niederösterreich subventioniert das Projekt – "und hintertreibt mit der Kürzung der Mindestsicherung gleichzeitig das Ziel".

Beschlossen haben die Reform die regierende ÖVP und die FPÖ. Doch auf Anfrage des STANDARD fühlte sich die schwarze Soziallandesrätin Barbara Schwarz, die stets auf die Deckelung gedrängt hat, zunächst nicht mehr zuständig. Verantwortlich für den Vollzug der Mindestsicherung sei der Landesrat Maurice Androsch, hieß es in ihrem Büro, da wolle man nicht hineinfunken.

Androsch kommt aus der SPÖ, die im Landtag gegen die Reform gestimmt hat, er hat sich für eine Änderung eingesetzt. Sein Sprecher berichtet nun: Der Landesrat habe in einer Unterredung mit Schwarz die politische Klarstellung erreicht, dass die vom Land geförderten Notwohnungen nicht unter die Deckelung fallen dürfen – im Gesetz findet sich solch eine Einschränkung nicht. Klar ist auch: Für alle anderen WGs gilt die Deckelung weiterhin. (Gerald John, 9.3.2017)