Ein Foto aus besseren Zeiten: Aktuell ist Kanzleramtsminister Thomas Drozda (rechts) mit dem Entwurf von Innenminister Wolfgang Sobotka mehr als unzufrieden.

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Der aktuelle Entwurf von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) für ein neues Versammlungsgesetz hat zu schweren Turbulenzen in der Koalition geführt. Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) wies den Entwurf als "völlig untauglich" zurück, SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler warf dem Innenminister gar vor, der sei "nicht willens und nicht in der Lage, seine Arbeit zu machen" – "egal ob Demonstrationsrecht, Fremdenrecht oder Auftrittsverbot für ausländische Politiker". Sobotka spiele "Opposition in der Regierung" und falle allein durch "Störfeuer" auf. Er störe "mit populistischen Ansagen die Regierungsarbeit, statt sie zu unterstützen". Auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) lehnt die Vorlage ab.

"Klar verfassungswidrig"

Drozda zeigt sich in der Tiroler Tageszeitung "schwer verärgert": "Der Innenminister hat zu 98 Prozent jenen Gesetzesentwurf zur Verschärfung des Demonstrationsverbots vorgelegt, den wir schon vor drei Wochen, weil klar verfassungswidrig, abgelehnt haben." Auch die Gesetzespassage zum Auftrittsverbot von ausländischen Politikern für Wahlkampfzwecke sei in der "Sache untauglich". Die SPÖ werde nächste Woche ein Gespräch mit dem Innenminister führen, um eine adäquate Formulierung zu finden. Er verstehe nicht, wieso sich Sobotka nicht an die Formulierungsvorgabe des Artikels 16 Europäische Menschenrechtskonvention gehalten habe, sagte Drozda.

Sobotkas Entwurf würde es dem Innenminister in Absprache mit der Regierung ermöglichen, bestimmte Auftritte ausländischer Politiker zu Wahlkampfzwecken zu untersagen. Sobotka hat in den Entwurf aber auch Regelungen aus einem vor Wochen vorgelegten Papier integriert. Dazu zählt die Möglichkeit für das Ministerium, Kundgebungen an bestimmten Orten insgesamt 876 Stunden pro Jahr zu untersagen, die Einrichtung eines Schutzbereichs um jede Versammlung oder eine stärkere Verantwortung für Demonstrationsleiter. Die SPÖ hatte diese Vorschläge bei der ursprünglichen Präsentation abgelehnt.

Anlass für den neuerlichen Entwurf zum Versammlungsgesetz sind mögliche Einsätze türkischer Politiker bei Wahlkampfevents in Österreich. In Deutschland wurden Veranstaltungen mit türkischen Politikern abgesagt, was zu schweren Verstimmungen geführt hat. Deutsche Behörden hatten sich auf Sicherheitsfragen wie Notausgänge und Brandschutzbestimmungen berufen.

Laut österreichischem Entwurf zum Versammlungsgesetz sollte der Innenminister künftig gemeinsam mit dem Außenminister solche Auftritte untersagen können – und zwar aus prinzipiellen Gründen. Im Entwurf heißt es: "Wird an einer Versammlung voraussichtlich ein Vertreter des öffentlichen politischen Lebens eines ausländischen Staates teilnehmen, hat die Behörde den Bundesminister für Inneres zu verständigen, der die Entscheidung über eine Untersagung an sich ziehen kann. "

Die Anzeige von Versammlungen durch die Veranstalter müsse demnach künftig Aufschluss über "die beabsichtigte Teilnahme von Vertretern des öffentlichen politischen Lebens ausländischer Staaten und von Vertretern internationaler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte" geben. Untersagt werden könne eine Veranstaltung, "wenn anzunehmen ist, dass Fremde aus Drittstaaten mitwirken werden, sich die Versammlung unmittelbar auf politische Vorgänge in einem Staat außerhalb der Europäischen Union bezieht und dabei Meinungen erörtert und kundgetan werden sollen, die mit den demokratischen Grundwerten oder den menschenrechtlichen Verpflichtungen der Republik Österreich unvereinbar sind oder sich auf das friedliche Zusammenleben der Menschen negativ auswirken".

Für die SPÖ ist das keine Diskussionsgrundlage. Doskozil erwartet einen "tauglichen, verfassungskonformen Entwurf, keinen Vorschlag zur generellen Aushöhlung des Versammlungsrechtes". Zu einem konkreten Vorschlag sei die SPÖ gesprächsbereit: "Die Wahlkampfauftritte türkischer Politiker müssen jetzt unterbunden werden, da können wir nicht bis Sommer warten." Laut Kurier plant ein AKP-Abgeordneter einen Auftritt am Samstag in Linz.

"Mangelnde Leadership"

Sobotka griff die SPÖ in einer Reaktion an und forderte den Koalitionspartner auf, eine Linie zu finden. "Die österreichische Bevölkerung hat ein derartiges Kasperltheater seitens der SPÖ nicht verdient." Artikel 16 der Menschenrechtskonvention sei berücksichtigt. ÖVP-Generalsekretär Werner Amon bezeichnete die Angriffe als "verzweifelten Versuch, vom Zickzackkurs des Kanzlers in der Frage der Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker abzulenken". Er sprach von "mangelnder Leadership". (völ, 9.3.2017)