Wien – Es war im Finalsatz der Fünften, als man ernsthaft um das Leben von Florian Zwiauer bangte. Dirigent Philippe Jordan attackierte den grundsympathischen Konzertmeister der Wiener Symphoniker mit Gesten, die an Mord und Totschlag erinnerten, die Augen weit aufgerissen. Zwiauer reagierte auf die Drohgebärden professionell und deutete sie als Motivationshilfen für eine ultimativ euphorische Interpretation des letzten Teils der sogenannten Schicksalssymphonie.

Denn in dieser Saison soll sich wieder einmal Epochales ereignen beim Konzertorchester der Stadt Wien. Nach Herbert von Karajan, Wolfgang Sawallisch, Georges Prêtre und Vladimir Fedosejev deutet nun der Schweizer Philippe Jordan alle neun Beethoven-Symphonien neu. Mit Schubert-Symphonien und Beethoven-Klavierkonzerten hat sich der Chefdirigent für das Großprojekt warmdirigiert, Ende Februar wurde der Zyklus begonnen, mit der Ersten und der Dritten.

Wie ein Torero

Am Mittwochabend gaben die Symphoniker die vierte und die fünfte Symphonie. Der bis unter die Haarspitzen motivierte Jordan schien fast zu explodieren vor Gestaltungswillen. Unter den Augen und Ohren des politischen Geldgebervertreters, Kulturstadtrat Mailath-Pokorny, stachelte er sein Orchester an wie ein Torero den Stier, und die Symphoniker reagierten und musizierten mit der glühenden, grenzanimalischen Einsatzfreude eines Jugendorchesters.

Es schien Jordans Ambition, Klangpracht und Klangfülle eines traditionellen Konzertorchesters mit der interpretatorischen Drastik, der Frische und der handgreiflichen Intensität eines Originalklangensembles zu verbinden – was auch gelang.

Wundervolle Wechsel

Wie zuletzt immer mehr seiner Kollegen vertraute der 42-Jährige den umstrittenen, weil äußerst hurtigen Metronomangaben Beethovens, was der Lebendigkeit der Unternehmung zuträglich war. Allerdings wird so ein Allegro ma non troppo (beim Finalsatz der Vierten) flugs zum Prestissimo. Wundervoll die Wechsel von Idylle und Größe, von innig gestalteten Kantilenen und markanten rhythmischen Impulsen im "langsamen" Satz der Vierten.

Auf dynamischem Gebiet vertraute Jordan den Extremen etwas zu sehr, der Schlusssatz der Fünften wurde zum Dauerkraftakt an der Grenze zur Überstrapaziertheit. Auf lauten Jubel folgte die Egmont-Ouvertüre als Zugabe. (Stefan Ender, 9.3.2017)