Schnelle Gewinne und keine Zeit für romantische Verwicklungen: Helmut Wildt und Anita Höfer in "Schwarzer Kies" von Helmut Käutner.

Foto: Filmmuseum / Gabriele du Vinage

Wien – Der "schlechteste Film eines bekannten Regisseurs" ist außerordentlich gut gealtert. 1962 wurde Schwarzer Kies von der "Jungen Filmkritik" bei den Kurzfilmtagen Oberhausen diese zweifelhafte Würdigung zuteil. Ein harter Hieb für Helmut Käutner, einen der renommiertesten Nachkriegsregisseure (Unter den Brücken), zumal er sich vorgenommen hatte, mit dem Film "alle deutschen Tabus zu durchstoßen".

Käutner wollte einen ungeschönten Blick auf das Adenauer-Deutschland werfen, in dem die Neuerfindung des Landes im Zeichen des Wirtschaftswunders die Kontinuität bestimmter Denkmuster verdeckte. Der Schuss ging nach hinten los. Ein Barbetreiber, der darin als "Saujude" beschimpft wurde, veranlasste den Zentralrat der Juden, gegen den Regisseur vorzugehen. Die Szene musste aus dem Film verschwinden.

Illustre Schattenwirtschaft

Schon in der Darstellung des Milieus ist Schwarzer Kies ein Gegenentwurf zum sauber retuschierten Bild des Wiederaufbaus. In einem Dorf im Hunsrück hat sich rund um einen US-Militärstützpunkt, der nun noch weiter ausgebaut werden soll, eine illustre Schattenwirtschaft ausgebreitet. Das Geschäft läuft vor allem in den Nachtbars gut, wo sich junge Frauen für die Soldaten als Prostituierte verdingen.

Ein jeder findet hier seine Nische, auch der getriebene Held Robert Neidhardt, das "Nachtherz" (Helmut Wildt), der mit dem Kies für die neue Landebahn Schwarzgeschäfte betreibt. Zur einen Hälfte hartgesottenes Milieudrama, in dem die Kurzatmigkeit der Nachkriegswünsche zutage tritt, zur anderen unheilvoll inszenierter Kriminalfilm, liefert Schwarzer Kies einen vielschichtigen Zeitbefund. Man versteht sofort, warum sich Gegenwartsregisseure wie Christian Petzold für Käutner begeistern.

Das Missverstehen der Kritik macht den wiederentdeckten Schwarzer Kies zum besonders geeigneten Beispiel für die Reihe BRD Noir im Filmmuseum, die das lange als "Papas Kino" verschmähte Schaffen dieser Zeit zu rehabilitieren versucht. Jenseits des Heimatfilms – aber mitunter sogar dort -, so die schon anlässlich einer umfassenderen Retrospektive beim Filmfestival Locarno von Kurator Olaf Möller formulierte These, bot gerade das Genrekino ein erstaunlich lebendiges Bild für die Widersprüche und bis ins Sexuelle hinein wirksamen Druckverhältnisse der noch jungen Bundesrepublik.

Mörder auf der Autobahn

"Noir", dieser stilistische Bazillus des Kinos, tritt stets in von Modernitätsschüben verunsicherten Filmländern auf. Die Sensibilität brachten Rückkehrer wie Peter Lorre und Robert Siodmak mit. Auffällig sind die Übeltäter, in denen sich gesellschaftliche Ängste zu verdichten scheinen. Mario Adorf in Nachts, wenn der Teufel kam, Gert Fröbe in Ladislao Vajdas Es geschah am helllichten Tage oder Harald Maresch als weniger berühmter, aber besonders gefinkelter Triebtäter in Peter Pewas Viele kamen vorbei, der entlang der durch die Landschaft pflügenden Autobahnen mordet – wie ein Symptom der mobilen Massengesellschaft.

Gerhard T. Buchholz, Drehbuchautor des Films, hatte davor auch schon Weg ohne Umkehr (Regie: Victor Vicas) verfasst, der das durch den Krieg zerteilte Berlin zum Schauplatz eines ideologisch aufgeladenen Melodrams macht. Ein ehemaliger sowjetischer Soldat trifft sieben Jahre nach dem Krieg auf die deutsche Frau, für die er schon einmal schwärmte. Was damals nicht sein konnte, darf auch in der schlecht vernarbten Gegenwart nicht sein. (Dominik Kamalzadeh, 10.3.2017)