In der 14-Millionen-Einwohner-Stadt Teheran sieht Architekt Marius Moser nicht nur Potenzial im Bereich von Gesundheitsimmobilien, sondern auch bei Hotels.

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Architekt Marius Moser: "Planer werden dazu gedrängt, Skizzen zu zeichnen, damit der Rohbau schnell hochgezogen wird. Am Ende muss man die Hälfte abreißen."

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In Teheran entsteht ein Krankenhaus mit 670 Betten.

Visualisierung: Moser Architects

Architekt Marius Moser ist seit 15 Jahren im Iran aktiv. Der erste Run aus dem Westen sei vorbei, sagt er. Dortige Arbeitsbedingungen kritisiert er.

STANDARD: Wie hat sich die Stimmung im Iran in den letzten Jahren verändert?

Moser: Direkt nach der Einigung im Atomstreit und der schrittweisen Aufhebung der Sanktionen gab es einen extremen Run aus dem Ausland. Das hat sich mittlerweile ein bisschen reduziert. Nach dem ersten Hype kam wohl die Ernüchterung, dass das Gold im Iran auch nicht auf der Straße liegt. Der Markt ist aber interessant, Know-how aus dem Westen ist gefragt und Geld ausreichend vorhanden.

STANDARD: Wie groß schätzen Sie das Potenzial für österreichische Bauprofessionisten im Iran ein?

Moser: Gewaltig. In letzter Zeit wurde die Konkurrenz aber größer, was sich auch auf die Preise auswirkt. Unser Vorteil ist, dass wir auch in schweren Zeiten, als die Sanktionen noch voll gegriffen haben, vor Ort waren. Wir haben uns damals leichtgetan, weil wir nur eine geistige Leistung verkaufen und keine Waren einführen.

STANDARD: Bei welchen Immobilienklassen sehen Sie besonderes Potenzial?

Moser: Wir bauen aktuell zwei Krankenhäuser, eines in Teheran und eines in Ghom. Wir wollen aber auch rund um den Flughafen Teheran, wo ein großangelegter Masterplan realisiert werden soll, unsere Spuren hinterlassen. Unser Hauptstandbein ist zwar die Planung von Gesundheitsimmobilien, aber auch der Hotelbau ist interessant, weil der Bedarf an Hotels enorm ist. Wir tun uns manchmal schwer, Zimmer für unsere Mitarbeiter zu finden.

STANDARD: Wie kommt man als österreichischer Architekt überhaupt an Aufträge im Iran?

Moser: Wir sind nicht aktiv im Iran vorstellig geworden und haben uns nicht an Wirtschaftsdelegationen beteiligt. Vor 15 Jahren wurden wir von Delegierten aus dem Iran angesprochen, ob wir nicht unser Know-how beim Gesundheitswesen einbringen wollen. Zuerst hat man uns als Konsulent geholt, dann haben wir Einladungen für die Planung von Einkaufszentren und Bürogebäuden erhalten, bis wir schlussendlich zu den Krankenhäusern gekommen sind. Bei solchen großvolumigen Projekten zahlt es sich dann aus, den administrativen Aufwand auf sich zu nehmen. Im ersten Jahrzehnt habe ich nur Geld in den Iran getragen, mittlerweile bin ich Gott sei Dank in der Lage, dort Geld zu verdienen.

STANDARD: Wo liegen die Unterschiede zwischen iranischen und österreichischen Auftraggebern?

Moser: Worauf wir schon in unserer Tätigkeit als Konsulenten gekommen sind: Einerseits will man das Know-how aus dem Ausland, andererseits die bekannten Pfade nicht verlassen. Die Iraner sind sehr stolz, Konflikte also vorprogrammiert. Aber am Ende kommt man immer irgendwie auf einen grünen Zweig. Die Verträge werden eingehalten. Und bei sämtlichen Projekten, die wir umgesetzt haben, ist uns der Iran nie etwas schuldig geblieben.

STANDARD: Welche Unterschiede gibt es noch?

Moser: Eine Schwierigkeit, die wir bei einem aktuellen Projekt haben, ist, dass während der Projektabwicklung wesentliche Parameter geändert wurden, etwa darüber, wie die Leistungen vergeben werden. Da gibt es erst Ausschreibungen, die später wieder aufgehoben werden. Allgemein ist man im Iran viel stärker von der Willkür der Behörden abhängig, weil Normen und Gesetze einen großen Spielraum zulassen. Was erschwerend dazukommt, ist, dass jede einzelne Phase – Vorentwurf, Entwurf, Ausführungsplanung – abgesegnet werden muss, quer durch die Fachbereiche Architektur, Statik, Medizintechnik.

STANDARD: Dauert dann auch das Bauen länger?

Moser: Im Iran wird dazu tendiert, möglichst schnell mit dem Bauen zu beginnen. Dementsprechend werden die Planer dazu gedrängt, grobe Skizzen zu zeichnen, damit der Rohbau schnell hochgezogen werden kann. Dann erst soll überlegt werden, was in Bezug auf Gebäude- und Medizintechnik gemacht wird. Am Ende muss man den Rohbau dann manchmal zur Hälfte wieder abreißen. Den Herrschaften klarzumachen, dass man so als westlicher Planer nicht arbeiten kann, ist schwierig. Anderes ist dafür im Iran einfacher.

STANDARD: Zum Beispiel?

Moser: Im Gegensatz zu Österreich wird im Iran ohne den künftigen Betreiber des Krankenhauses geplant. In Österreich muss man als verantwortlicher Generalplaner mit den Ärzten darüber verhandeln, was sie brauchen und was nicht. Das sind langwierige Abstimmungsprozesse, die wir im Iran nicht haben. Da wird gesagt: "Ihr wisst eh, was ihr braucht. Und wenn das Krankenhaus dann fertig ist, werden wir sehen, wer dort einzieht."

STANDARD: Wie unterscheidet sich die Architektur bei Ihren Krankenhausbauten im Iran von Ihren Projekten in Österreich?

Moser: Der Iraner ist mit der Tradition und der Kultur des Landes verbunden. Wenn man westliche Planung bezieht, dann will man zwar, dass das Krankenhaus westlichen Standards entspricht – aber auch, dass Architektur die lokale Kultur reflektiert. Gewünscht ist ein Krankenhaus, das nirgendwo sonst auf der Welt stehen kann. Bei der Übernahme von gestalterischen Elementen muss man aber auch vorsichtig sein, weil man damit aus Unwissenheit jemanden beleidigen kann.

STANDARD: Der Iran wird weiterhin für seine Verletzungen der Menschenrechte kritisiert. Wie gehen Sie als Architekt damit um?

Moser: Wir haben es im Iran natürlich oft mit Situationen zu tun, die mit den Rahmenbedingungen hier bei uns relativ wenig zu tun haben – vor allem, wenn es um das Arbeitsumfeld geht. Fakt ist: Auf den Baustellen kommen meist Gastarbeiter zum Einsatz, die unter wesentlich schlechteren Bedingungen arbeiten müssen als hierzulande. Das gefällt mir in vielen Fällen überhaupt nicht, und ich kommuniziere das den Verantwortlichen gegenüber auch. Und ich stelle auch klar: Wenn wir die örtliche Bauaufsicht übernehmen sollen, dann läuft das nach westlichen Standards ab. (16.3.2017)