Nina Proll.

Foto: Heribert Corn

STANDARD: Was sagt die musicalaffine Künstlerin zu "La La Land"?

Proll: Ich liebe Musical, und hier finde ich es gut in die Gegenwart transportiert. Allerdings war ich mit dem Ende unzufrieden.

STANDARD: Worauf achten Sie als Schauspielerin beim Filmschauen besonders?

Proll: Wenn ein Film sehr gut ist, tauche ich ein. Bei "La La Land" gab es technische Details, die mich interessierten. Zum Beispiel das Intro mit den vielen Statisten, die auf der Autobahn zu tanzen beginnen. Wie macht man so etwas? Für unsereins ist das absolut unmöglich. Wir können so etwas nicht.

STANDARD: Warum eigentlich nicht?

Proll: Weil wir das Geld nicht haben, weil wir nicht die Möglichkeiten haben, eine Autobahn zu sperren. Wir haben zwar viele gute Sänger und Tänzer, aber zu wenig Erfahrung, um so einen Film zu stemmen. Als Schauspielerin hat mich außerdem die Szene fasziniert, in der sie telefoniert und währenddessen zu weinen beginnt. Da schaue ich natürlich genau: Kann sie wirklich bei einer lustigen Szene innerhalb eines Takes ohne Schnitt weinen?

STANDARD: Das Weinen scheint für Schauspieler die höchste Kür. Können Sie's?

Proll: Ich kann es manchmal, und mir wird gesagt, dass ich dabei gut bin. Nach fünf Takes kann ich es nicht ewig wiederholen.

STANDARD: Dann gibt es Tricks, sich traurige Sachen vorstellen. Welche haben Sie?

Proll: So etwas habe ich auch, das verrate ich aber nicht. Da hat jeder Schauspieler seine eigenen Szenarien, die er abrufen kann. Ein Trick, der es mir leichter macht, ist zu spielen, ich darf nicht weinen. Dann gibt es noch die künstlichen Tränen, Mentholsprays.

STANDARD: Das sind dann die Loser ...

Proll: Nein, Gott sei Dank nicht. Es kommt auch darauf an, ob man in einer Komödie weint oder in einem Drama. Bei einem ernsten Film will ich es schaffen, wirklich zu weinen. Wenn es eine Szene wie bei den "Vorstadtweibern" ist, wo das Weinen lustig sein soll, helfe ich manchmal nach.

STANDARD: Bei den "Vorstadtweibern" arbeiten Sie mit zwei Regisseuren. Was macht es für einen Unterschied, Folgen mit Sabine Derflinger oder Harald Sicheritz zu drehen?

Proll: Sabine Derflinger ist offener für Veränderungen bei Texten oder Szenen. Harald Sicheritz besteht mehr auf dem Text, wie er im Buch von Uli Bree steht. Ich arbeite gerne am Text und drehe ihn auch am Drehtag noch um, wenn ich das Gefühl habe, es ist noch nicht am Punkt oder es passt nicht zu mir oder zu meiner Figur. Da blitze ich bei Harald Sicheritz eher ab. Einen weiteren Unterschied gibt es bei Kostümfragen. Harald liebt schöne Frauen und legt viel Wert darauf, dass wir gut ausschauen. Wenn ich zum Beispiel aus dem Gefängnis entlassen werde, müsste ich doch eigentlich ungeschminkt und mit der abgefuckten Jeans rauskommen. Ihm ist wichtiger, dass ich gut ausschaue. Da pfeift er auf Authentizität. Oder wenn der Text sagt, sie steht auf und trägt einen Pyjama, dann ist das bei Harald Sicheritz garantiert Spitzenunterwäsche, bei Sabine Derflinger ist das wirklich ein Pyjama.

STANDARD: Schauen Sie sich die Serie selbst an?

Proll: Ja. Ich habe die Folgen auch erst im Fernsehen gesehen, weil ich vorher nichts bekommen habe.

STANDARD: Wie schauen Sie, wenn Sie selbst mitspielen?

Proll: Beim ersten Mal schaue ich hauptsächlich auf mich und darauf, ob das glaubwürdig ist, was ich da tue. Ob ich selbst mir das abnehme, oder ob ich das Gefühl habe, ich posiere.

STANDARD: Das Posieren gehört ja bei den "Vorstadtweibern" zur Rolle.

Proll: In dem Fall stimmt das, sie posieren und geben vor, etwas zu sein, was sie nicht sind. Aber ich schaue, ob mir das gelungen ist, ob das glaubwürdig ist. Das ist mir bei allen Filmen das Wichtigste: ob ich glauben kann, was ich sehe.

STANDARD: Wie ging es Ihnen dann mit jüngsten Wendungen in den "Vorstadtweibern"?

Proll: Ja, damit hatte ich schon ein Problem. Ich finde es nicht notwendig, dass in jeder Staffel jemand umgebracht wird. Es wäre schöner, wenn man den Figuren vertraut und nicht doch wieder Krimi macht. Ich verstehe, da geht man auf Nummer sicher, weil Krimis gehen immer. Für mich leben die "Vorstadtweiber" aber von etwas anderem; wie Frauen und Männer miteinander umgehen, das finde ich interessanter.

STANDARD: War das der Grund, warum Sie selbst zur Drehbuchautorin wurden – mit Ursula Wolschlager für "Anna Fucking Molnar" (vorläufiger Arbeitstitel, Anm.)?

Proll: Ich hatte eine konkrete Vorstellung davon, was ich gerne in einem Kinofilm sehen und spielen würde.

STANDARD: War es leicht, einen Produzenten zu finden, oder spielte es eine Rolle ...

Proll: ... dass ich eine Frau bin? Sagen wir so, Josef Hader hatte es leichter mit seinem Drehbuch. Klar stand auch zur Diskussion, ob ich bei diesem Film Regie führen will. Das war aber ganz schnell wieder weg vom Tisch. Ich wäre komplett überfordert mit Spielen und Inszenieren, und ich möchte auch nicht in die Verlegenheit kommen, mir selbst bei einer Sexszene Regieanweisungen zu geben, also ist es okay für mich, und ich war sehr glücklich, dass Sabine Derflinger diesen Part übernommen hat. Aber vielleicht kommt dieser Schritt noch.

STANDARD: Der nächste Schritt ist die Musik. Sind für die nächsten Konzerttermine neue "Vorstadtlieder" dazugekommen?

Proll: Noch nicht, für den Sommer werden wir aber kleine Änderungen vornehmen.

STANDARD: Wie gehen Sie in der Auswahl vor?

Proll: Ich wählte Lieder über Wien, im Dialekt, die das Leben der Vorstadtweiber widerspiegeln. Lieder über Frauenbefindlichkeiten und Männerprobleme.

STANDARD: Wie stießen Sie auf "Ham kummst" von Seiler und Speer?

Proll: "Ham kummst" passt einfach total gut zu den "Vorstadtweibern". Mir taugt die Nummer, und ich wollte sie als trauriges Liebeslied interpretieren. Ich hatte Jacques Brel im Kopf, nur mit Klavier.

STANDARD: Ist das Interpretieren ein Weg für Sie?

Proll: Es ist ein zweites Standbein. Ich bin dadurch nicht nur abhängig von Film oder Theater.

STANDARD: Was bevorzugen Sie?

Proll: Ich mache alles sehr gern, auch das Schreiben war für mich eine einmalige Erfahrung. Es hat Spaß gemacht, sich etwas auszudenken, das zu schreiben und zu spielen, auch den ganzen Prozess mit Finanzierung aufstellen, Besetzung, was braucht es alles, bis überhaupt einmal ein Film entsteht ... Dann stehen plötzlich 40 Leute an einem Set, nur weil ich das geschrieben habe, und das ist schon ein sehr schönes Gefühl. Aber auf der Bühne zu stehen – das ist ein Zitat aus dem Film, den ich gemacht habe – ist einfach das Zweitschönste, das es gibt auf der Welt. Es ist ein Hochgefühl.

STANDARD: Wo holen Sie sich das in Zukunft?

Proll: Ja, gute Frage. Zunächst "Vorstadtweiber" und "Vorstadtlieder", dann möchte ich meinen Film ins Kino bringen, und danach werde ich sehen. Ich habe ganz viele Bücher bekommen, die mir alle nicht gefallen. Es war nicht das richtige dabei. Wahrscheinlich werde ich wieder etwas schreiben. (Doris Priesching, 19.3.2017)