Nach der harten Auseinandersetzung zwischen Polen und den übrigen 27 EU-Staaten zur Wiederwahl von Ratspräsident Donald Tusk fanden die Staats- und Regierungschefs am Freitag in Brüssel auch keinen Konsens zu einer geplanten Erklärung über die weitere Zukunft der Union nach dem Austritt Großbritanniens. Eine solche soll bei einem Sondertreffen in Rom am 25. März zum Jubiläum der "Römischen Verträge" von 1957 verabschiedet werden.

Sie bildeten das Grundfundament der Gemeinschaft, sollen nun für die EU-27 neu begründet werden, einen Prozess der besseren Zusammenarbeit und Integration starten, um Zerfall durch den Brexit zu verhindern. Hatte die polnische Premierministerin Beata Szydlo die Schlusserklärung am Donnerstag noch blockiert, weil Tusk mit einer Mehrheit von 27:1 bis Ende 2019 bestellt wurde, nahm sie bei der Reformdebatte aber eine konstruktive Rolle ein. Das berichteten mehrere Regierungschefs übereinstimmend.

Niemand wolle eine Verschärfung, sagte Bundeskanzler Christian Kern. Die Benelux-Staaten Belgien, Niederlande und Luxemburg luden die Visegrád-Staaten Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn ein, gemeinsam an Reformkonzepten zu arbeiten. Auch der Ständige Ratspräsident Tusk betonte bei seiner abschließenden Pressekonferenz mit Kommissionschef Jean-Claude Juncker, dass die Bewahrung der Einheit das Hauptziel für Rom sei.

An der Erklärung sollen Vertreter der Regierungen weiterarbeiten. Nach den Worten der deutschen Kanzlerin Angela Merkel wird sie unter dem Titel "Einheit in Vielfalt" laufen. Das erinnert an den Wappenspruch der USA, in den Hoheitszeichen – "E pluribus unum", "Aus vielen eines" -, wie er sich auch auf jeder Dollarnote wiederfindet.

Von einer solchen EU-Einheit in politischen und inhaltlichen Fragen ist aber im Moment wenig zu erkennen. Wie Juncker erklärte, sei es im Europäischen Rat vor allem darum gegangen, "Missverständnisse" über die von der Kommission wie auch von Merkel forcierte "Union der verschiedenen Geschwindigkeiten" zu klären.

Sozialunion neues Ziel

Dieses Konzept sieht vor, dass einzelne Staatengruppen bei gewissen Politiken – etwa einer EU-Armee oder in der Sozialpolitik – rascher vorangehen als andere EU-Länder, die in diesen Fragen lieber bei nationalstaatlichen Regelungen bleiben wollen. So hat man das in der Vergangenheit bereits bei der Abschaffung der Grenzkontrollen (Schengen) wie auch beim Euro gemacht, wo nicht alle Mitgliedstaaten mitmachen oder im Detail unterschiedliche Regelungen anwenden dürfen.

Diese Art der "verstärkten Zusammenarbeit" sei bereits jetzt in den EU-Verträgen vorgesehen, erklärte der Kommissionschef, man brauche dafür keine neuen Verträge und es werde auch kein Land ausgeschlossen. Die Osteuropäer befürchten Nachteile in einer Union "variabler Geschwindigkeit". Kanzler Kern hat seinerseits in einem ORF-Interview ausgeschlossen, dass Österreich an einer EU-Armee teilnehmen könnte. Er wolle nicht, dass "Soldaten unter ein fremdes Kommando gestellt" würden, auch nicht in der EU. Allerdings nimmt Österreich bereits an zivil-militärischen EU-Missionen teil, wenn sie unter einem Uno-Mandat laufen, wie im Kosovo oder Tschad. (Thomas Mayer aus Brüssel, 10.3.2017)