Innenminister Wolfgang Sobotka hat recht: "Die österreichische Bevölkerung hat ein derartiges Kasperltheater nicht verdient." Der ÖVP-Politiker hat das zwar auf die SPÖ und die Angriffe auf seine Person bezogen, der Vorwurf betrifft ihn selbst aber auch. Diese Beschreibung gilt für die ganze Koalition.

In der Rolle des Krokodils wechseln einander die Herren in der Regierung derzeit ab: irgendwie jeder gegen jeden, immer gegen den aus der anderen Partei. So sieht die koalitionäre Partnerschaft derzeit aus. Wenn es ganz grob sein soll, dann ist der SPÖ-Bundesgeschäftsführer dran: Georg Niedermühlbichler warf dem Innenminister vor, der sei "nicht willens und nicht in der Lage, seine Arbeit zu machen". Fehlte nur noch das Prädikat unfähig. Zur Verteidigung musste dann Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ausrücken, der der SPÖ einen Zickzackkurs vorwarf.

Es fällt derzeit schwer, den Überblick zu bewahren, wer gerade welche Position vertritt und welche Vorlage eingebracht hat. Denn eigentlich sind sich die Koalitionäre einig darüber, dass man gegen Wahlkämpfe türkischer Politiker in Österreich vorgehen müsse. Warum dann dieser Streit, wenn man in der Sache eigentlich einer Meinung ist?

Wer auf Urlaub war oder längere Zeit nachrichtenabstinent gelebt hat, wundert sich, warum die Regierung wieder in einem Zustand ist, in dem sie erst vor kurzem war: zerstritten und uneins, vorzeitige Wahlen in Sicht. Dabei ist es erst fünf Wochen her, dass die Regierungsmitglieder in tage- und nächtelangen Verhandlungen ein Regierungsprogramm mit Zeitplan zur Umsetzung erarbeitet haben, das von allen Regierungsmitgliedern unterzeichnet worden ist. Es war eine Art wechselseitiger Treuschwur, eine Beschäftigungsgarantie für diese Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode.

Die ÖVP konnte viele ihrer Positionen – und die Minister Kurz und Sobotka ihre Wunschliste sogar fast vollständig – ins gemeinsame Papier transferieren. Der Kanzler ist nunmehr gezwungen, diese Politik, die man als verschärften Law-and-Order-Kurs wahrnehmen kann, auch selbst zu vertreten. Was schon einmal funktioniert hat, könnte ein weiteres Mal klappen, dürfte sich Sobotka gedacht haben und hat seine umfassende Wunschliste zu Änderungen im Versammlungsrecht gleich noch einmal vorgelegt – ungeachtet der bereits erfolgten Ablehnung durch die SPÖ. Die reagierte entsprechend erbost über die Dreistigkeit Sobotkas.

Aber Kern hat nun selbst in einem Interviewwettlauf mit Sebastian Kurz in deutschen Medien die Forderung nach einem EU-weiten Auftrittsverbot für Erdogan ins Spiel gebracht. Also wird auch die SPÖ einer Maßnahme zustimmen müssen. Aber wie beim Regierungsprogramm soll nicht alles nach den Wünschen der ÖVP laufen.

Der Kanzler will auch in der Außenpolitik die Leitlinien bestimmen. Kern sprach sich gegen eine Beteiligung Österreichs an einer EU-Armee aus, Kurz hatte zuvor eine "schnelle EU-Krisenreaktionstruppe" verlangt – auch hier hat die Regierung keine klare Linie.

Kern sagte zum Auftakt seiner Kanzlerschaft am 17. Mai – vor nicht einmal zehn Monaten: "Wenn wir dieses Schauspiel weiter liefern, ein Schauspiel der Machtversessenheit und der Zukunftsvergessenheit, dann haben wir nur noch wenige Monate bis zum endgültigen Aufprall." Wann endet dieses Theater? (Alexandra Föderl-Schmid, 10.3.2017)