Das Duett "Dança Sinfônica" – Verherrlichung zum Zweifeln.

Foto: Jose Luiz Pederneiras

St. Pölten – Dem Publikum hat es wirklich gefallen, Riesenapplaus und Jubel. Denn erstens haben die 20 Tänzerinnen und Tänzer der Grupo Corpo temperamentvoll und virtuos getanzt. Und zweitens sind beide Stücke, die am Samstag im Festspielhaus St. Pölten auf dem Programm standen, mit vielen bestechenden Ingredienzen gewürzt: beeindruckende Bühne, effektvolle Choreografie, eingängige Musik. Insgesamt moderner Tanz mit viel Atmosphäre.

Reicht das nicht für einen perfekten Tanzabend? Und können sich so viele Begeisterte täuschen? Es kommt schließlich darauf an, welche Maßstäbe an ein Kunstwerk gelegt werden. Und die Grupo Corpo spricht eine Zielgruppe an, die bevorzugt, was die Company aus dem brasilianischen Belo Horizonte zu bieten hat: Beide bestehen nicht auf klassischem Ballett, halten aber Distanz zu irritierenden Experimenten.

Ablenkung mit Andeutungen

Unter den Titeln Suíte Branca und Dança Sinfônica bieten die Brasilianer Tanz, der weder billig noch kritisch wirkt. In aufgeladenen Zeiten wie diesen eine als erhebend empfundene Ablenkung: leicht und doch mit Andeutungen von Tiefgang. Sehr allgemeinen und emotionalen Andeutungen zwar, aber das ist eben ein Patentrezept von Unterhaltung: Die Bühne wird für einige Zeit zu einem besseren Ort in dieser Welt, und das Publikum wird mit starker Hand dorthin mitgenommen.

Wunderbar eigentlich – gäbe es da nicht ein Problem, das genau dort liegt, wo der bessere Ort suggeriert wird. Wer sich kurz aus dieser Matrix ausklinkt, erblickt eine seltsame Welt. Zwanzig nette junge Leute gehen in der Suíte Branca einen Weg aus dem und ins Nichts. Dazwischen tun sie wenig mehr, als dieses Dazwischen zu dekorieren. Alle bleiben für sich, alles spielt sich in klinischem Unschuldsweiß ab, niemand haut je daneben.

GrupoCorpoOficial

Es ist wie im Himmelreich, und die Versammlung im Zuschauerraum mimt den gütigen Gott, der dem andienenden Treiben gefällig zusieht. Die Choreografin Cassi Abraches – ihr wurde im Programmheft keine Biografie gegönnt – hat sich um Neutralität bemüht. Wie auch der Choreograf von Dança Sinfônica, Rodrigo Pederneiras – er und sein Bruder Paulo, als Gründer der Company, werden im Programm ausführlich vorgestellt.

Pederneiras trumpft mit einem Duett auf, in dem ein großer, schwarzgekleideter Mann eine kleine Frau wie ein Stück rosa Plastilin manipuliert. Wenn einem Herrgott so eine Verherrlichung gefällt, liegen heute halt die Zweifel nicht weit. (Helmut Ploebst, 12.3.2017)