Vorstufe zum Bargeld: Der Weg zum Strand, der gebaut wird, bringt den Wechselkurs Kühe-Muscheln gehörig ins Schwanken.

Foto: Matthias Heschl

Wien – Der erste Teil einer jeden Inszenierung im Wiener Schauspielhaus findet nicht auf der Bühne statt, sondern beim Betreten des Zuschauerraums: zur Abwechslung also einmal wieder Guckkasten! Und sogar Vorhang! Noch ist hinter demselben zwar nichts. In Frotzler-Fragmente. Eine postmonetäre Doppelconférence des Gießener Theaterkollektivs Fux wird – das sei vorweg verraten – aber noch viel kommen!

Wir müssen am Anfang anfangen, beschließen vier durch den Stoff gestreckte Köpfe. Auf unablässig wackelnde Knie gestellt geben die fantastischen Simon Bauer, Steffen Link, Vassilissa Reznikoff und Sebastian Schindegger sodann einen Abriss der Entwicklung vom Menschen zum Homo oeconomicus. In bunten Stramplern und mit XL-Perücken!

Pointiert

Besen, Topf – die notwendigen Dinge des Lebens verfügen in ihrer frühen Dorfgemeinschaft zunächst weder über Artikel noch Possessivpronomen. Doch es dauert nicht lange, und aus "Kuh" wird "meine Kuh". Tauschhandel, Schuld, Muschelgeld – auf minimaler Personal- und Textflamme köcheln die folgenden Miniszenen kunstvoll. Welch Bedeutung angesichts solcher Sparsamkeit ein einfaches "Bis später" in einer Gesellschaft, die neuerdings Kredite gibt und nimmt, gewinnt!

Diese Pointiertheit verliert sich auch nicht, wenn der schmale Text nach 20 Minuten in wildrasche Wortwechsel und Gesangseinlagen übergeht. Begleitend reckt sich auf der Bühne nun eine Pyramide aus Treppen empor, wie ein untergegangener Tempel. Aleksandra Pavlovic hat diese Kulissen gefertigt, die ein abstraktes Etwas sind: Farben und Formen, herrlich ohne allzu konkrete Verweislast, trotzdem andeutungsvoll. Vage steigen und fallen auf ihren Kostümen Börsenkurse.

Argument und Zweifel

Eine "politische Revue" bildet den zweiten Teil der 100 Minuten. Für sie stellen sich Gäste wie Didi Hallervorden und die Brüder Heidenreich auf. Forderungen heißt deren 2015 veröffentlichtes Buch, getragen vom Ruf nach einer "Welt ohne Geld". Jenes sei schließlich nur eine Zwischenlösung, entstanden aufgrund von Datenverarbeitungsproblemen bei der Buchhaltung auf Tontafeln, meinen sie.

Nun ergreift die Uraufführung im einen Moment Partei für ein mögliches alternatives Wirtschaftsmodell, um es im nächsten mittels guter Argumente in Zweifel zu ziehen. Verökonomisiert zum Beispiel eine Share Economy nicht den guten alten Freundschaftsdienst?

Wie immer im Wiener Schauspielhaus wird dem Besucher mit dem Programmheft ein reichhaltiger Handapparat zum Einlesen beigegeben. Auf den mag man später gerne zurückgreifen. Vorerst aber verfolgt man im Hier und Jetzt die schrittweise Transformation eines Kaufmannsladens zur Metapher für EU-Geldpolitik, die Schaumgeburt des Derivats im Planschbecken (Untergangssymbolik?) und ein antikapitalistisches Medley von "Money, quit living on dreams" bis "Oops, I paid it again".

Bunt, musikalisch, voll Witz und überraschender Szeneneinfälle nimmt das Regieteam Nele Stuhler und Falk Rößler sein Publikum an der Hand und führt es vom kleinen zum großen Gedanken. Tosender Applaus ist der gerechte Lohn dafür. Bravo! (Michael Wurmitzer, 12.3.2017)