Auch in Wien wurde gegen Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei demonstriert. Grundsätzlich sind die Österreicher aber nicht sehr kämpferisch, was Zensur angeht.

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Zugegeben, der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan ist nicht der beste Anwalt für die Meinungsfreiheit. Wer Journalisten einsperrt, kritische Medien abdreht, Oppositionspolitiker ins Gefängnis bringt und tausende vermeintlich politisch Andersdenke aus dem Staatsapparat entfernen lässt, hat jegliche Unterstützung demokratisch gesinnter Menschen zu Recht verloren.

Wie man an Erdoğans Politik sieht, ist es die wichtigste Waffe autoritärer Herrschaft, anderen mit staatlichen Zwangsmaßnahmen das freie Wort zu verbieten. In demokratischen Gesellschaften kann das Recht auf freie Meinungsäußerung nur in gut begründeten Fällen eingeschränkt werden. Umso bedenklicher ist es, wenn Politiker aller Couleurs in Österreich, Deutschland oder den Niederlanden nichts daran finden, türkischen Politikern das Auftreten in der Öffentlichkeit verbieten zu wollen.

Natürlich sind diese Reaktionen politisch erklärbar. Gerade in Österreich, Deutschland und den Niederlanden (Letztere befinden sich noch dazu im Wahlkampfendspurt) ist die Toleranz für die freie Meinungsäußerung politisch extremer Gruppen enden wollend (und ja, die antidemokratischen Tendenzen Erdoğans kann man getrost als extrem bezeichnen).

Die Grafik unten zeigt, dass es in diesen drei Ländern besonders hohe Zustimmung zum Verbieten von Kundgebungen solcher Gruppen gibt (die Türkei erzielt interessanterweise ähnliche Werte).

Am anderen Ende der Skala befinden sich die USA, wo die Rede- und Meinungsfreiheit traditionell besonders großzügig ausgelegt wird. Aber auch in Nordeuropa gibt es zumindest größere Minderheiten, die selbst politisch extremen Gruppen das Recht auf Kundgebungen nicht absprechen wollen.

Nun gibt es gute Argumente dafür, nicht jede politische Meinungsäußerung in der Öffentlichkeit zuzulassen, besonders wenn dabei zur Gewalt gegen bestimmte Gruppen, Personen oder demokratische Institutionen aufgerufen wird.

Man kann sich angesichts der oben präsentierten Zahlen dennoch fragen, ob die öffentliche Meinung in Ländern wie Österreich ein robustes Bollwerk gegen weitergehende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung wäre. Nur für den Fall, dass Politiker hierzulande einmal auf derartige Ideen kämen. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 13.3.2017)