Deutschland im Allgemeinen und Kanzlerin Angela Merkel im Besonderen sind die bevorzugten Zielscheiben der Angriffe der Rechts- und Linkspopulisten in der EU. Der starke Mann Polens, Jaroslaw Kaczynski, behauptet sogar, dass sein törichter Plan zur Verhinderung der Wiederwahl Donald Tusks, des von ihm verhassten Ex-Ministerpräsidenten Polens, zum Präsidenten des EU-Rats wegen der deutschen Allmacht gescheitert sei und dass nur deshalb auch sein enger politischer Freund Viktor Orbán mit allen anderen Regierungschefs für Tusk gestimmt habe.

Die Wutausbrüche der polnischen Rechtsnationalisten sind freilich angesichts des enormen finanziellen Transfers aus Brüssel in ihr Land weniger gefährlich für die Zukunft der EU als die Folgen des Brexit und die bevorstehenden Wahlen in den Niederlanden und vor allem in Frankreich. Auch die linkspopulistischen Bewegungen in Italien und Griechenland verbinden die europafeindlichen Anklagen fast immer mit Seitenhieben auf die Merkel-Regierung. Zugleich richtet der türkische Präsident in seinem Machtrausch beispiellose Schimpfkanonaden auf die Regierung in Berlin wegen der Verhinderung von Wahlkampfauftritten türkischer Spitzenpolitiker in Deutschland.

Auch in dem von dem Kreml je nach Bedarf gesteuerten Konflikt um die Ostukraine bleibt Deutschland bei der Aufrechterhaltung der Sanktionen gegen Russland im Gegensatz zur Beschwichtigungspolitik mancher mitteleuropäischer Kleinstaaten ein Fels der Glaubwürdigkeit. Vor dem EU-Gipfel Ende März hat Angela Merkel die Idee, dass sie jetzt de facto die Führerin der westlichen Welt sei, als "grotesk" und "absurd" zurückgewiesen. Ihre Zurückhaltung ist mehr als verständlich. Die Bundesrepublik hat weder die Absicht, den Westen zu führen, noch ist sie stark genug, eine solche Aufgabe zu übernehmen.

Im Gegensatz zu diesen Spekulationen sei Deutschland angesichts der europäischen Turbulenzen und der künftigen Gefahren eher gefährdet, in die Isolation zu geraten. Vor diesem Hintergrund ist der Besuch Merkels diese Woche in Washington eine Reise ins Ungewisse. Die Ereignisse seit seiner Angelobung haben die Angst vor einer Präsidentschaft Donald Trumps in jeder Hinsicht bestätigt. Für das gespaltene Europa, bedroht durch die Aggressivität der Diktatoren Erdogan und Putin, bedeutet die Unberechenbarkeit Trumps, vor allem was die chaotischen Zustände im Verhältnis zu Russland betrifft, eine gefährliche Herausforderung.

Wohl deshalb rief die Londoner Financial Times vor einigen Tagen in einem aufsehenerregenden Leitartikel Deutschland mit Hinweis auf seine wirtschaftliche Stärke und sein internationales Ansehen durch sein Bekenntnis zu liberalen Werten zu einer aktiven Führungsrolle auf. Ob die deutsche Kanzlerin die künftige Außenpolitik der US-Regierung vor allem hinsichtlich Russlands und des globalen Freihandels beeinflussen kann, muss dahingestellt bleiben. Deutschland ist jedenfalls kein Prügelknabe für die diversen Nationalpopulisten, sondern mehr denn je seit dem Zweiten Weltkrieg der unverzichtbare Sicherheitsanker in einem aus den Fugen geratenen Europa. (Paul Lendvai, 13.3.2017)