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Nachdem der Mensch den Bison beinahe ausgerottet hätte, hütet er ihn heute als wertvolles Naturerbe: hier im Bild das jährliche Bison-Round-up im Custer State Park von South Dakota.

Foto: AP Photo/Elisha Page, Argus Leader

Dieses Gehörn, gefunden im Yukongebiet, stammt von einem Steppenbison (Bison priscus). Diese Urspezies war während der letzten Kaltzeit von Europa bis nach Nordostasien verbreitet. Als sie von dort aus auch Nordamerika erreichte, entwickelten sich aus ihr rasch einige neue Arten – unter anderem der heute noch lebende Bison.

Foto: Duane Froese

Edmonton/Wien – 65 Millionen Jahre Säugetierzeitalter bedeuten auch: jede Menge interkontinentale Wanderungen. Unter den "typisch afrikanischen" Großtieren von heute beispielsweise hat nur der Elefant einen Stammbaum, der wirklich in Afrika wurzelt. Alle anderen sind die Nachfahren von Einwanderern.

Vergleichbar artenreich wie die afrikanische Savanne waren bis zum Eintreffen des Menschen auch die Prärien Nordamerikas. Die dortige eiszeitliche Megafauna war sogar besonders bunt zusammengesetzt: Zu ihr gehörten einerseits Tiergruppen, die sich tatsächlich in Nordamerika entwickelt hatten und später in ihrer Urheimat ausstarben – etwa Pferde oder Kamele. Dazu kam nach der Schließung des Isthmus von Panama eine große Einwanderungswelle aus Südamerika, die unter anderem elefantengroße Faultiere und tonnenschwere Gürteltiere nach Norden brachte.

Den Löwenanteil stellten allerdings Tiergruppen aus der Alten Welt. Nordamerika war im Verlauf der Erdneuzeit mehrfach mit der riesigen Landmasse von Eurasien und dadurch indirekt auch mit Afrika verbunden. Jedes Mal, wenn sich diese bis zu 1.000 Kilometer breite Landbrücke im Nordpazifik für einige Zeit schloss, kam es zu Ein- und Auswanderungswellen und damit zu einem Faunenaustausch.

Eiszeitliche Nachzügler

Diesen Weg nahm auch ein Tier, das heute als Ikone der nordamerikanischen Prärie gilt: der Bison. Und laut einer Studie, die in der aktuellen Ausgabe der US-amerikanischen "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen ist, war er viel später dran als angenommen. Er bevölkert den Kontinent erst etwa zehnmal so lange wie der Mensch.

Ein Forscherteam um Duane Froese von der University of Alberta untersuchte eine Reihe von Bisonfossilien. Das älteste eindeutig datierbare aus Nordamerika, gefunden im nördlichen Yukon, ist etwa 130.000 Jahre alt. Vermeintlich ältere Fossilien stammen aus Lagerstätten, deren Altersbestimmung zu große Unsicherheiten aufweist.

Zudem gewannen die Biologen mitochondriale DNA aus 46 Bisonfunden in Amerika und Sibirien, um eine Genealogie zu erstellen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass alle nordamerikanischen Exemplare auf einen gemeinsamen weiblichen Vorfahren vor 195.000 bis 135.000 Jahren zurückgehen. In diese Spanne muss also der Zeitpunkt fallen, da der erste asiatische Bison Amerika betrat – später als gedacht.

Dafür ging es dann umso schneller. Die – in den Worten der Forscher – ebenso fruchtbaren wie wehrhaften Tiere krempelten ein bis dahin von Mammuts und Pferden geprägtes Ökosystem um. Sie splitterten sich in mehrere Arten auf und breiteten sich binnen 20.000 Jahren über nahezu den gesamten Kontinent aus. Das ist evolutionär betrachtet ein bemerkenswertes Tempo. Laut der Studie dürfte es sich um die rasanteste Erfolgsgeschichte eines Großsäugetiers in Nordamerika gehandelt haben. Nur ein anderes sollte den Bison später darin noch übertreffen und hätte ihn im Zuge seiner Ausbreitung auch beinahe ausgerottet: der Mensch. (Jürgen Doppler, 13.3.2017)