Die Volksabstimmung über den Brexit hat auf der Insel viele Gräben aufgerissen. Kurz vor der offiziellen Austrittserklärung kann von einer Versöhnung keine Rede sein. Die Regierung von Theresa May unternimmt keinerlei diesbezügliche Anstrengung, im Gegenteil: Ohne Rücksicht auf Andersdenkende verfolgen die Konservativen den denkbar härtesten Bruch mit dem Kontinent, samt Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion.

Diese Unnachgiebigkeit kommt den schottischen Nationalisten entgegen. Erst vor zweieinhalb Jahren erhielten sie von den Wählern eine Absage an ihr Traumziel der Unabhängigkeit. Jetzt hat die Edinburgher Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon angekündigt, sie wolle den Wahlgang wiederholen. Zu Recht kann sie darauf verweisen: 62 Prozent der Schotten wollten in der EU bleiben. Deshalb sollten sie erneut über die Unabhängigkeit abstimmen.

Die Schotten sind um diese Wahl nicht zu beneiden. Durch den Verfall des Ölpreises ist die Wirtschaftslage schwieriger geworden; die Handelsbeziehungen mit England sind weit wichtiger als jene mit dem Kontinent, der Euro stellt keine attraktive Alternative zum Pfund dar. Zudem gilt angesichts spanischer Widerstände ein glattes Fortbestehen der EU-Mitgliedschaft keineswegs als garantiert. Sturgeon muss für ihre Sache auf Widerstand aus London hoffen, damit nationale Empörung über arrogante Engländer die rationalen Argumente beiseiteschwemmt. (Sebastian Borger, 13.3.2017)