Rolls-Royce betreibt in Finnland ein eigenes Forschungskonsortium, um das Thema autonome Seefahrt voranzutreiben. Langfristig erhofft man sich eine Reduktion der Transportkosten.

Foto: Rolls Royce pic

Wien – Ein Schiff wird kommen – aber vielleicht bald ohne Kapitän. Jedoch nicht, weil der unterwegs über die Reling gegangen ist, sondern weil die Reedereien einen ähnlichen Traum wie die Automobilbranche haben: Geht es nach den Schiffsherstellern, sollen in naher Zukunft die Schiffe von ganz allein automatisch über die Meere schippern.

So hat Rolls-Royce, das hierfür ein Forschungskonsortium in Finnland betreibt, unlängst angekündigt bereits 2020 ein solches Geisterschiff in See stechen zu lassen. Bis zu 227 Millionen Euro will das Unternehmen investieren. Bei den ersten Tests soll es sich dabei um Fähren und Schlepper handeln, Containerschiffe sollen aber bald folgen.

Langfristig erhofft man sich davon eine Reduktion der Transportkosten um 22 Prozent. Auch das dänische Unternehmen Maersk Line – die größte Containerschiffsreederei der Welt – will in Zukunft verstärkt automatisierte Schiffe einsetzen und damit die Effizienz seiner 630 Schiffe umfassenden Flotte erhöhen.

Ein unbemanntes Schiff spart schließlich Personal. Aus Sicherheitsgründen muss die Besatzung bestimmte Arbeitszeiten einhalten und für den Vollbetrieb in dreifacher Ausführung an Bord sein. Ohne dieses Personal bleibt zudem mehr Platz für Güter an Bord des Schiffes. Des Weiteren kann ein Computer die Routenplanung und den Kraftstoffverbrauch wirtschaftlicher gestalten.

Erhöhung der Sicherheit

Die Branche erhofft sich davon aber auch eine Erhöhung der Sicherheit: Zum einen könnte man so Entführungen durch Piraten reduzieren, wenn keine Besatzungen, die Lösegelder einbringen, mehr an Bord mitführen. Zum anderen geht es um die zahlreichen Unfälle, die jeden Tag in der Schifffahrt passieren: "Man schätzt, dass 90 Prozent aller Unfälle auf See von Menschen verursacht werden. Wenn man diese Zahl reduzieren könnte, wäre das ein gewaltiger Fortschritt", sagt Jonas Wagner vom Verband Schiffbau und Meerestechnik in Hamburg.

Dass schon bald unbemannte Schiffe unterwegs sind, glaubt er nicht: "Dafür gibt es noch zu viele Herausforderungen, die noch nicht gelöst sind. Teilautonomone Prototypen werden aber in den nächsten zehn Jahren auftauchen."

Effizienz durch Autonomie

An Lösungen wird aber derzeit an vielen Orten eifrig geforscht. Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) arbeitet mit zwei niederländischen Hochschulen an einer automatischen Seeflotte. Schätzungen zufolge soll das Projekt 27 Millionen Dollar kosten.

Die TU Aachen, die Hochschule Wismar, die Universitäten Bremen und Rostock und das Softwareunternehmen SCISKYS arbeiten an dem Projekt "Galileo Nautic": Die Wissenschafter wollen das europäische Satellitensystem Galileo nutzen, um bald einen Schiffsprototyp über das Wasser zu manövrieren. René Zweigel, Gruppenleiter der Aachener Sektion: "Unser System zielt mehr auf geschlossene Bereiche – also vor allem auf Häfen und Wasserstraßen ab. Mit unserem Ansatz wollen wir hier die Abläufe automatisieren und entsprechend effizienter gestalten."

Schließlich werden für den Einsatz dieser Technologie nicht nur die Schiffe, sondern auch die Häfen entsprechend umgestaltet werden müssen. Einen anderen Zugang entwickelte das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Hamburg mit sieben europäischen Partnereinrichtungen: Die Steuerung übernehmen integrierte Computer und ihre Sensoren.

Sie stehen in ständigem Kontakt mit Kontrollstationen an Land, wo Nautiker jederzeit Zugriff auf das Schiff haben. Rühren sie sich aber nicht, bestimmt ausgehend von Wetter-, Strömungs- und Positionsdaten das Schiff selbst seinen Kurs.

Herausforderung Bürokratie

Die lückenlose Überwachung des Schiffs ist aber nicht die einzige Herausforderung. Die größte Hürde liegt bislang in der Bürokratie: "Es gibt im Moment kein internationales Reglement für diese Technologie", berichtet Clemens Strasser, Geschäftsführer der Schiffsbautechnischen Versuchsanstalt in Wien.

"Es gibt keine rechtliche Regelung, wer etwa bei einer Kollision von zwei autonomen Schiffen haftet. Insbesondere in einer Übergangszeit, in der un- und bemannte Schiffe unterwegs sein werden, ist das aber notwendig."

In nationalen Gewässern ist eine Mindestbesatzung verpflichtend, auch die weltweit gültige Gesetzgebung betrifft nur Schiffe mit einer Crew. Ein automatisches Boot ist damit wirklich ein Geisterschiff: Nach internationalem Seerecht gilt es als herrenlos – noch.(Johannes Lau, 15.3.2017)