Der Wunsch der "Calexit"-Anhänger: ein eigener kalifornischer Pass.

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Die Calexit-Befürworter setzten auf den Stolz liberaler Kalifornier, der durch die Wahl Donald Trumps gekränkt ist.

Foto: AFP / Getty Images / Justin Sull

Sacramento/Wien – Auf einen fixen Namen hat man sich noch nicht geeinigt. "Yes California" heißt die offizielle Kampagne, #Calexit der Hashtag. Daneben gibt es "Caleaveornia" und "Califrexit". Ganz unabhängig vom Namen: Die Kampagne für eine staatliche Unabhängigkeit des US-Bundesstaates Kalifornien scheint Fahrt aufzunehmen, besonders seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. 32 Prozent der Befragten haben Ende Jänner in einer Umfrage von Reuters/Ipsos ihre Absicht bekundet, bei einem möglichen Referendum Ende 2018 mit "Ja" zu stimmen. Das sind fast doppelt so viele wie bei einer ähnlichen Umfrage im Jahr 2014. Mehr als 8.000 Unterstützer engagieren sich bereits ehrenamtlich.

Ob ein solches Votum wirklich stattfindet, ist noch unsicher. Die Organisatoren der Ja-Kampagne müssen dafür bis zum Sommer fast 600.000 Unterschriften sammeln. Doch nach Brexit und Trump-Sieg reicht vielen Kommentatoren schon die Möglichkeit einer Abstimmung zur Sorge. Mehrere große Zeitungen haben in den vergangenen Wochen Kommentare veröffentlicht, deren Autoren vor einer Abspaltung warnen. Die "San Jose Mercury News" bezeichnete den "Calexit" in einem Leitartikel als eine "kolossal dumme Idee", die "San Diego Tribune" als Zeitverschwendung. Und in einem Gastkommentar der "Los Angeles Times" wurde gar von "einem Desaster für progressive Werte" geschrieben, das die Sicherheit Kaliforniens, der USA und der Welt gefährde.

Demokraten fürchten die Unterwanderung

Dass die Nervosität vor allem unter den Demokraten wächst, hat einen einfachen Grund: Sie fürchten die Unterwanderung. Denn die "Calexit"-Kampagne bedient sich vor allem progressiver Slogans. Mit Baskenmützen, Regenbogenflaggen und beim "Women’s March" gegen Donald Trump haben die Unterstützer von "Yes California" zuletzt Unterschriften gesammelt. Sie betonen vor allem den Unterschied gesellschaftlicher Werte zwischen dem Rest der USA und dem Bundesstaat, dessen Bewohner bei der Präsidentschaftswahl im November mit fast 62 Prozent für Hillary Clinton stimmten.

Mit der Regenbogenflagge für ein unabhängiges Kalifornien. Die "Calexit"-Kampagne setzt auf progressive Slogans. Ihr Chef Louis Marinelli lehnte die Ehe für alle bis vor kurzem ab, in Russland engagiert er sich für den Erhalt "traditioneller Werte".

Calexit-Gegner weisen hingegen auf die möglichen Folgen hin, die ein Abschied des 40-Millionen-Einwohner-Staates für die USA hätte: Ohne Kalifornien hätte Donald Trump im November nicht nur eine Mehrheit der Wahlmänner, sondern auch jene der Stimmen erhalten. Die USA würden zwei demokratische Senatoren verlieren, und zahlreiche demokratische Abgeordnete im Repräsentantenhaus.

Und sie betonen die Ungereimtheiten in der Kampagne: "Yes California"-Chef Louis Marinelli ist nicht in Kalifornien, sondern in New York geboren. Er hat nur wenige Jahre im Bundesstaat gelebt, sah sich die längste Zeit seines Lebens als Republikaner, lehnte die Ehe für alle ab und verteufelte Impfungen gegen Masern als Verschwörung der Bundesregierung. Bei den demokratischen Vorwahlen 2017 unterstützte er nach eigener Auskunft zwar Bernie Sanders. Dessen Niederlage gegen Hillary Clinton habe ihn dann aber bewogen, im November doch für Donald Trump zu stimmen.

Verbindungen nach Russland

Vor allem aber lebt Marinelli auch derzeit nicht in Kalifornien – sondern im russischen Jekaterinburg. Auf die Frage nach dem Wieso hat er US-Medien unterschiedliche Gründe geliefert. "Ich konnte nicht mehr unter der US-Flagge leben", sagte er dem russischen Staats-TV-Sender RT. Der "Los Angeles Times" wiederum beschied er, es handle sich um einen vorübergehenden Aufenthalt. Er arbeite als Englischlehrer, weil seine Frau, eine Russin, Schwierigkeiten mit dem US-Visum habe. Das US-Magazin "Politico" wiederum berichtet von wirtschaftlichen Gründen: Marinelli habe in den USA keinen Job bekommen.

Unbestritten sind jedenfalls die Verbindungen der Calexit-Kampagne nach Russland. Er wollte, dass Kalifornien die USA "auf eine ähnliche Weise verlässt wie die Krim die Ukraine", sagte Marinelli kürzlich zu russischen Medien. "Kalifornien und Russland" würden "immer Freunde sein", sagte er bei einem anderen Anlass. Vor allem aber sorgte seine Teilnahme an einer internationalen Separatistenkonferenz im Moskau für Aufsehen. Diese war von der "Antiglobalisierungsbewegung Russlands" ausgerichtet worden, die sich nach Angaben ihrer Homepage unter anderem zum Ziel gesetzt habe, "traditionelle moralische Werte" und "die Souveränität von Nationalstaaten" zu erhalten.

"Progressive" an einem Tisch mit der Lega Nord

Zu Gast waren auch Vertreter der rechten italienischen Lega Nord, der katalanischen Separatisten und der abtrünnigen moldauischen Region Transnistrien. Über die Finanzierung der Organisation gibt es einige Fragen, aber wenige Antworten: Sie stellt auf ihrer Homepage nur ein einziges Mitglied, ihren Chef Alexander Ionow, vor. Dazu gibt es zwei Ehrenmitglieder: Syriens Präsident Bashar al-Assad und Irans Expräsident Mahmud Ahmadi-Nejad. Verbindungen zum Kreml stritt Ionow auf Nachfrage von "Politico" ab. Nach Berichten von "Vice" schmückt sein Büro gleichwohl ein Dankesbrief des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Im Dezember eröffnete Marinelli eine "Botschaft Kaliforniens" in Moskau. RT berichtete.

Ruptly TV

Unterstützung für den Calexit gibt es derweil auch von überraschender Stelle. Der Silicon-Valley-Milliardär Peter Thiel, im vergangenen Jahr finanzkräftiger Unterstützer Donald Trumps, hat seine Zustimmung erkennen lassen. "Ich glaube, das wäre gut für Kalifornien und gut für den Rest des Landes", sagte er im Jänner der "New York Times". "Und es würde der Kampagne von Donald Trump für eine Wiederwahl helfen."

Dass die Kampagne letztendlich Erfolg haben wird, vermuten Demoskopen wie auch Politologen nicht. Die Hindernisse sind groß: Zunächst müssten die Wähler 2018 dem Vorschlag mehrheitlich zustimmen, die Verfassung Kaliforniens zu ändern, wonach der Staat Teil der USA ist. In einem weiteren Votum 2019 müssten sie dann die Abspaltung beschließen. Und auch dann wäre die Sezession nicht besiegelt: 38 der 50 US-Staaten müssen den Vorschlag zustimmen. Das gilt als nahezu ausgeschlossen.

Möglich ist aber, dass die Kampagne gegen ein "Ja" wichtige Ressourcen der Demokraten binden wird, die ansonsten bei den Mid-Term-Elections 2018 in das Vorhaben fließen könnten, Senat und Repräsentantenhaus von den Republikanern zurückzugewinnen. (Manuel Escher, 16.3.2017)