Wien – Wem als Unternehmer Überschreitungen des Arbeitsrechts nachgewiesen werden, hat mehrere Optionen: Entweder man einigt sich mit dem Arbeitsinspektorat, dass die Mängel innerhalb einer bestimmten Frist behoben werden. Oder man lässt es darauf ankommen und muss mit einer Strafanzeige rechnen. So geschehen jetzt bei Katia Wagner, jener Betreiberin eines Wiener Schönheitssalons, die es mit ihrer öffentlichen Kritik am Arbeitsinspektorat geschafft hat, dass sogar Politiker ihren Fall als vermeintlichen Beleg für bürokratische Schikanen aufgreifen.

Waxing "in der Auslage"

Erstmals in die Schlagzeilen schaffte es Wagner im Jänner. In einem Facebook-Eintrag schrieb sie, das Inspektorat habe ihr angeordnet, das von ihr angebotene Waxing zur Intimenthaarung nur in Räumen mit Fenstern ins Freie durchzuführen. Plakativ kündigte sie an, Intimenthaarungen in Zukunft "in der Auslage" durchzuführen. Der Eintrag wurde zigfach geteilt, anschließend kam selbst ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zu Besuch ins Studio, um sich für eine bürokratische Entrümpelung auszusprechen.

Später wurden allerdings Zweifel an der Geschichte der Salonbetreiberin laut. Laut Arbeitsinspektorat ging es nämlich bei der Beanstandung um Räumlichkeiten im Obergeschoß, wo "in kleinen Kojen ohne Sichtkontakt ins Freie und ohne Möglichkeit der Belüftung mit frischer Luft" gearbeitet wird. Eben dort müsste ein "kleines Fenster" fernab der Kunden eingebaut werden.

Neue Vorwürfe an Kontrolleure

In einem neuerlichen Facebook-Eintrag teilte Wagner nun mit, dass gegen sie Strafanzeige erstattet worden sei. Außerdem habe sich "die Anzahl an Auflagen, die an uns gestellt werden, nun mehr als verdoppelt". Außerdem deutet sie an, dass es in den vergangenen Wochen verstärkt "Kontrollbesuche" des Inspektorats bei ihr gegeben habe.

Erneut kam Unterstützung von Mitterlehner: "Meine Forderung an den Sozialminister: Schikanen einstellen, Betriebe arbeiten lassen! Arbeitnehmerschutz ist uns allen wichtig, muss aber praxistauglich gestaltet sein, daher möglichst rasch reformieren. Ich teile das Anliegen von Katia Wagner", so der ÖVP-Chef auf Facebook.

Anzeige wegen mehrerer Vergehen

Im für das Arbeitsinspektorat zuständigen Sozialministerium bestätigt man auf Anfrage, dass die Strafanzeige zwar noch nicht offiziell erstattet wurde, dies jedoch noch in dieser Woche vonstattengehe. In dem Fall werde wie bei jedem anderen vorgegangen, betont Alexandra Marx, Leiterin der Rechtsabteilung im Zentralarbeitsinspektorat. Demnach wurden bei einer Kontrolle Ende des vergangenen Jahres gleich mehrere Übertretungen festgestellt. Dabei sei es um einen zu engen Fluchtweg, Mängel bei der Entlüftung sowie das Fehlen eines geeigneten Aufenthaltsraums für die Mitarbeiter gegangen.

Nach der schriftlichen Aufforderung, die Beanstandungen innerhalb einer zeitlichen Frist zu beheben, habe der weitere Verfahrensablauf unter anderem ein Treffen im Arbeitsinspektorat und weitere Besichtigungen vor Ort umfasst. Dabei seien der Unternehmerin, wie in solchen Fällen üblich, auch Ausnahmen für einzelne Übertretungen eingeräumt worden, so Marx. Diese Möglichkeit bestehe, wenn das "Gesamtpaket" stimme, die gröbsten Übertretungen also ausgeräumt werden. Wagner habe man eine solche Ausnahme bei den Sichtfenstern im Obergeschoß zugestanden.

In der nun zu erstattenden Strafanzeige gehe es ausschließlich um jene weiteren Übertretungen, die schon Ende vergangenen Jahres festgestellt wurden (Fluchtweg, Entlüftung, Aufenthaltsraum), so Marx zum STANDARD.

Mittlerweile gibt es aber schon die nächste Entwicklung in der Affäre: Laut "Kurier" sperrt Wagner ihre insgesamt drei Innenstadtsalons "noch im Mai" zu, will aber weiterhin im "Schönheits- und Kosmetikbereich" tätig bleiben. Indirekt macht sie die Behörde für den Verlust von 70 Jobs verantwortlich.

AK: "Salonbeschäftigte sind unsere Dauerkunden"

Die Arbeiterkammer ließ indes am Dienstag wissen, dass Wagners Salons nicht zum ersten Mal arbeitsrechtlich auffällig geworden seien. "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen", kommentierte Hans Trenner, Leiter des Beratungsbereiches der AK Wien, Wagners neuen Facebook-Eintrag. "Die Firma gibt es seit 2013, und seit damals zählen die Beschäftigten der Firma zu unseren Dauerkunden in der Beratung."

Ein Viertel der Belegschaft habe in der einen oder anderen Form Probleme mit dem Arbeitgeber. "Würden alle Arbeitgeber so mit ihren Beschäftigten umgehen, würde die Schlange der Beratungssuchenden bei uns von der Prinz-Eugen-Straße bis zum Schwarzenbergplatz reichen – und zwar täglich", so Trenner in einer Aussendung. Beschwerden gebe es auch über mangelnde Hygienebedingungen für Kunden und Beschäftigte.

Gewerkschaft kritisiert Mitterlehner

Kritik an Mitterlehner kam von der Gewerkschaft: "Es ist verwerflich, wenn sich Politiker dafür hergeben, eine wertvolle Einrichtung wie das Arbeitsinspektorat schlechtzumachen", so Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Vida in einer Aussendung. "Das Arbeitsinspektorat leistet wertvollste Arbeit und hat es sich nicht verdient, für ein paar Likes derart verhöhnt zu werden. Allein im Jahr 2015 hat es über 156.000 Arbeitsunfälle gegeben, davon waren 73 tödlich, und das finden wir nicht lustig", so Hebenstreit. (Simon Moser, 14.3.2017)