Frankfurt –Nach mehr als vier Jahren Verhandlungen, 14 Streikwellen seit 2014 und einem wirtschaftlichen Schaden von mehr als einer halben Milliarde Euro hat die AUA-Mutter Lufthansa endlich den Dauertarifkonflikt mit den Piloten beigelegt. Bis Mitte 2022 müssen die geplagten Passagiere nun keine Furcht mehr vor Pilotenstreiks haben.

Mit der Gewerkschaft "Vereinigung Cockpit" (VC) wurden in der Nacht auf Mittwoch die Eckpunkte zu einer Lösung sämtlicher offener Tarifprobleme verabredet, die nun bis Mitte des Jahres in Verträge gegossen werden sollen.

Trotz dieses Vorbehalts sind beide Seiten sicher, den Knoten gelöst zu haben. "Damit beenden wir nicht nur den längsten Tarifkonflikt unserer Unternehmensgeschichte, sondern wir schaffen nachhaltigen Tariffrieden bis 2022 und zugleich die Grundlage für eine neue Sozialpartnerschaft mit der Vereinigung Cockpit", jubelt Lufthansa-Personalchefin Bettina Volkens. VC-Vorstand Jörg Handwerg sieht immerhin "eine große Chance zur Befriedung des seit Jahren andauernden Tarifkonflikts".

Pensionsalter angehoben

Inhaltlich hat die Lufthansa in dem Kompromiss viele ihrer Ziele durchgesetzt, etwa die Umstellung der Betriebspensionen auf Festbeträge und eine Regelung, dass die Kapitäne im Schnitt erst mit 60 statt wie bisher mit 58 Jahren in den Vorruhestand gehen können. Diese Punkte allein bringen dem Konzern nach eigenen Angaben im laufenden Geschäftsjahr einen positiven Sondereffekt im hohen dreistelligen Millionenbereich, weil Pensionsrückstellungen aufgelöst werden können. Wegen der Niedrigzinsen musste Lufthansa lange mehr für die Ruhegelder beiseitelegen, um die Zusagen zu erfüllen. Nun trägt das Zinsrisiko bei den Betriebspensionen künftig nicht mehr das Unternehmen, sondern der einzelne Pilot – wie übrigens das Bodenpersonal und die Flugbegleiter auch.

Lufthansa hat sich den Frieden im Cockpit mit Beschäftigungsperspektiven und weiteren Erhöhungen der ohnehin üppigen Pilotengehälter erkauft. Mindestens 325 Flugzeuge dürfen bis 2022 ausschließlich von Piloten geflogen werden, die nach den Regeln des neuen Konzerntarifvertrags (KTV) bezahlt werden. Das entspricht grob der jetzigen Größe der Lufthansa-Classic. Zusätzlich kommen auch zehn Langstrecken-Maschinen aus dem sogenannten Jump-Projekt zurück, die bisher von billigeren Piloten der Lufthansa-Tochter Cityline geflogen wurden.

Damit fällt auch der von Vorstandschef Carsten Spohr verhängte Einstellungsstopp in den KTV: 600 Stellen für Kapitänsanwärter werden bis 2022 geschaffen und rund 700 Nachwuchspiloten eingestellt, die fertig ausgebildet schon seit Jahren auf ihren Job warten. Man wolle sich noch nicht zu früh freuen, heißt es allerdings bei deren Interessenvertretung NFF-Rat. Von einer Neben-Lufthansa für 40 Langstrecken-Jets, mit der der Vorstand in den vergangenen Wochen immer mal wieder gedroht hatte, ist keine Rede mehr.

"Wir feiern den Abschluss hier", sagt einer aus der Verwaltung. Die Dauerstreiks haben das Unternehmen fast zerrissen, denn längst nicht alle waren einverstanden mit dem harten Kurs der Piloten. Neben heftigen Diskussionen in Mitarbeiterforen kam es im härtesten Tarifkonflikt in der Geschichte des Unternehmens gar zu einer von Teilen des Bodenpersonals getragenen Demonstration gegen die Piloten.

Beim Gehalt haben die bereits gut bezahlten Piloten vergleichsweise geringe Zuwächse akzeptiert, wenn man die verabredete Gesamtsteigerung von 11,4 Prozent auf den gesamten Zeitraum von Mai 2012 bis Juni 2022 umrechnet. Versüßt wird ihnen der Abschluss mit einer Einmalzahlung von 1,8 Monatsgehältern, was im Schnitt rund 27.000 Euro brutto bedeutet.

Noch das Schlichtungsergebnis vom Februar mit 8,7 Prozent Gehaltsplus bei einer kürzeren Laufzeit und einer geringeren Einmalzahlung hatte der Konzern nur mit Leichenbitter-Miene akzeptiert und einem Ausgleich für die Mehrbelastungen von 85 Mio. Euro pro Jahr verlangt. Davon ist jetzt keine Rede mehr, schließlich habe man die Kompensationen im Gesamtpaket erhalten, heißt es. Wie teuer der neue, weit umfassendere Kompromiss wird, darüber schweigen sich die Tarifexperten des DAX-Konzerns aber aus.

"Lufthansa kann sich jetzt endlich auf ihre vielen anderen Baustellen konzentrieren", sagt Gerald Wissel von der Luftverkehrsberatungsgesellschaft Airborne. Dazu gehört der Aufbau der dringend benötigten Billigsparte Eurowings ebenso wie die weitere Senkung der Verwaltungskosten. Lufthansa habe sich in den vergangenen Jahren zu einseitig auf die Personalkosten fixiert und dafür den Dauer-Konflikt mit dem fliegenden Personal in Kauf genommen.

Der Prinzipienstreit scheint nunmehr überwunden und Europas größter Luftverkehrskonzern kann die eigentlichen Probleme angehen. Dazu gehört aus Sicht des Beraters Wissel auch das immer komplexer werdende Drehkreuz-System des Konzerns, der aus Frankfurt, München, Düsseldorf, Wien, Zürich und nun auch Brüssel Fernstrecken anbietet.

(APA, 15.3.2017)