Das neue Album von Spoon erscheint morgen, Freitag. Es ist super. Es heißt "Hot Thoughts". Live wird die Band in Österreich wieder nicht zu sehen sein. Am 19. Juni könnte man aber nach München pilgern. Näher wird's nicht. Leider.

Foto: Domino

Wien – Auf ihrem 2005 erschienenen Album Gimme Fiction formulierte die Band Spoon ein fiebriges Bekenntnis zum Rock 'n' Roll. The Beast And Dragon, Adored hieß das Lied und war eine fast schon konfessionelle Beichte. Doch entgegen dem Rock-'n'-Roll-Klischee als breitbeiniger Männerkunst und Welteroberungsfantasie mit der Gitarre als Zipfelersatz war das Stück von Klavier und Streichern geprägt, langsam, ein Schleicher, dessen Emphase weitgehend vom Gesang Britt Daniels generiert wurde. Es musste jeder Jeansjacke mit AC/DC-Aufnäher bewusst werden, dass es sich nicht um ein handelsübliches Versprechen handelte.

Spoon

Spoon waren und sind eine Band zwischen den Stühlen. Ihr am Freitag erscheinendes neues Album Hot Thoughts unterstreicht das einmal mehr. Aus dem Lone Star State stammend, ist ihre Musik frei von den Versuchungen der texanischen Weite. Keine Kuhbubenausrutscher, keine Stetsons, keine Boots, kein Howdy. Stattdessen weist schon der Name der Band ins vergeistigte Fach, bezog ihn die 1993 gegründete Gruppe doch bei der deutschen Formation Can.

Deren repetitive, von Bluesmustern weitgehend befreite Rockmusik findet sich im Namen wie in der Haltung wieder. Rock 'n' Roll ja, aber bitte in einer formal erweiterten Form.

Kaum je Gesetzesbruch

Dabei brach die Formation kaum je das selbstauferlegte Gesetz der Sparsamkeit. Spoon sind Reduktionisten. Weniger ist mehr, noch weniger noch besser. Und anstatt eine Gitarre zu viel zu beschäftigen, baut der Vierer auf den knappen Einsatz eines Pianos oder eines Synthesizers.

Hot Thoughts ist diesbezüglich großzügig. Sowohl was den Einsatz des Synthesizers betrifft als auch die Wahl neuer Waffen. Im letzten Stück des Albums, dem Instrumental Us, darf es gar ein Saxofon sein. Dennoch wird man eher an die Postpunk-Granden Wire oder David Bowie in Berlin als an Emerson, Lake and Palmer denken.

Kiss in der Disco

Im Gegenzug sparte die Band auf Hot Thoughts die akustische Gitarre ein, Daniels spielt durchgehend die elektrische. Das ergibt verhalten funkige Resultate, wobei die Band stets Haken schlägt oder ein Sujet fallenlässt, bevor ein Song berechenbar wird. Dafür gibt es Lieder wie First Caress, die vor zehn Jahren noch als Dancerock begrüßt worden wären: Discobeats, Synthieflirren, Handclaps – da wird die Hose unten weit, die Schuhsohle wächst zum Plateau. Doch Spoon sind dabei nie plump. All diese Annährungen wirken durchdacht, originell oder, wie im Fall von Shotgun, ziemlich verwegen.

Shotgun erinnert mit seinem Rhythmus und den Gitarrenriffs aus Daniels Hüfte ein wenig an Kiss, als sie sich für I Was Made For Lovin' You unter die Discokugel begaben. Schwierige Phase, der Fan in der Maske spricht nicht gerne darüber. Spoon hingegen schnappen sich das Sujet und verarbeiten es zu ihren Bedingungen neu.

Von Dinosaurierblähungen keine Spur

Ein weiteres Zitat findet sich in Do I Have To Talk You Into It. Das Lied erinnert deutlich an Kashmir von Led Zeppelin, sogar die Streicher arbeiten in diese Richtung. Doch von Dinosaurierblähungen keine Spur. Die Knappheit der Spoon'schen Kunst verbittet sich die Uferlosigkeit, die der 1970er-Jahre-Hardrock so willig auslebte. Selbst wenn sie sich einmal gehen lassen, wirkt es nüchtern und beherrscht, wie in dem Stück Pink Up.

Wer die Band je live erlebt hat, weiß, wie genial sie den Spagat aus Ökonomie und Bühnenekstase bewerkstelligt. Das bringt uns zur schlechten Nachricht. Zwar sind Spoon in Amerika längst Größen und auch in der Alten Welt. Für ein Konzert hierzulande hat es dennoch noch nie gereicht. Auch auf der laufenden Tour nicht. Das. gehörte. dringend. geändert. (Karl Fluch, 15.3.2017)