Die mentale Einstellung wirkt sich auf den Körper aus – und umgekehrt. Auch wer grundlos lacht oder lächelt, der kann sein Gehirn auf Optimismus programmieren.

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Wie wir man sich selbst sieht, hat nachweislich Einfluss auf die eigene Leistung – und darauf, wie man von anderen gesehen wird.

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Der Placebo-Effekt ist mittlerweile gut erforscht: Patienten geht es auch dann besser, wenn ihre Medizin keine Wirkstoffe enthält. Allein der Glaube daran, dass ein Getränk Alkohol enthält, führt nachweislich zu einem Gefühl der Betrunkenheit. Ebenso werden hochpreisige Produkte häufig auch dann als besser bewertet, wenn sie es nicht unbedingt sind.

Dieses Phänomen lässt sich auch in anderen Bereichen beobachten: dem Sport, der Pädagogik. So verändert das Bewusstsein die objektiv gemessene Fitness, wie Harvard- und Stanford-Professoren in einer Studie festgestellt haben. In einem anderen Experiment wiesen Forscher um Robert Rosenthal eine zufällig bestimmte Gruppe von Schülern als hochbegabt aus. Wie sich zeigte, trauten ihnen die Lehrer in der Folge tatsächlich mehr zu. Dadurch verbesserten sich wiederum die Leistungen der Schüler.

Kurzum: Die Einstellung wirkt sich positiv aus. Und indem man an etwas glaubt, tritt es häufig auch tatsächlich ein. Gemäß dem Motto: Wer hat, dem wird gegeben. Wie sich dieser Effekt für das Arbeitsleben nutzen ließe, beschreibt Sven C. Voelpel, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Jacobs University in Bremen, in seinem neuen Buch "Der Positiv-Effekt". Leserinnen und Leser lernen, wie sie Optimismus trainieren können.

Das Ruder übernehmen

Eine entscheidende Rolle dabei spiele das Gehirn. Es lenkt einen durch die Welt, ist der Kapitän des Lebens. "Angeborene und über viele Jahre angesammelte Erfahrungen bestimmen Ihre Handlungen, und Sie vertrauen blind darauf", schreibt Voelpel. Indem man bewusst an seinen Gedanken arbeitet, könne man auch die unbewussten Handlungen beeinflussen.

Der erste Schritt: seine Gedanken zu beobachten, sich klarzumachen, "dass Sie sich an Bord eines Schiffes befinden", dessen Fahrtrichtung man selbst beeinflussen kann. "Sobald Sie es schaffen, diese Kraft zu nutzen und positiv zu beeinflussen, indem Sie bewusster denken und negativ aufgeladene Gefühle und Gedanken zu durchbrechen vermögen, gelingt Ihnen auf Dauer eine Umprogrammierung des Unbewussten", sagt Voelpel.

Raus aus der Negativität

Die größte Herausforderung sei, der grundlegenden Tendenz des Gehirns entgegenzuwirken, "Negatives in den Vordergrund zu stellen und Positives aus dem Blick zu drängen". Der Psychologe Martin Seligman spricht von einem "katastrophischen Gehirn", das zur schlimmstmöglichen Interpretation neigt.

Diese Negativität sei evolutionsbedingt, sagt Voelpel – in der Vergangenheit konnte das Unterschätzen von Gefahren schnell den Tod bedeuten. Die Nachwirkungen seien eben heute noch spürbar: "Unser Gehirn tendiert zu Problematisierungen, wobei Positives nahezu erstickt oder an den Rand des Bewusstseins gedrängt wird."

Damit Freude länger anhält

Das liege daran, dass negative Informationen ausführlicher verarbeitet werden als positive. So wird etwa schlechtes Feedback viel eher erinnert als gutes. Außerdem wurde in Studien nachgewiesen, dass sich das persönliche Glücksempfinden von Lottogewinnern nach einem Jahr wieder auf dem ursprüngliche Niveau einpendelt. Der Grund: Sie freuen sich nicht mehr aktiv über das große Los, sondern denken wieder über aktuelle Probleme nach.

Wie man das Gehirn überlisten kann? Sicher nicht, indem man weiter in negativen Gedanken schwelgt, indem man sich permanent einredet, nicht gut genug zu sein, schreibt Voelpel. "Denken Sie stattdessen an das Höhlengleichnis, und suchen Sie das Licht."

Nachdem man negative Denkmuster identifiziert hat, solle man nach Gedanken, Aktivitäten und Menschen suchen, die Kraft geben. "Wo es Abwärtsspiralen gibt, kann der Mechanismus auch umgekehrt in Form von Aufwärtsspiralen funktionieren."

Zur Not hilft: Lächeln

Positive Gefühle wirken sich wiederum positiv auf Leistungen aus – und darauf, wie man von anderen wahrgenommen wird. Dieses Phänomen formulierte die Psychologin Barbara Fredrickson in ihrer "Broaden and build"-Theorie.

Negative und neutrale Gefühle in positive umzuwandeln ist gewiss nicht einfach, jedoch sei es "oftmals sinnvoller, sich auf den Weg zu machen, als von vornherein mögliche Hindernisse heraufzubeschwören, die Sie immer daran erinnern, dass das gesamte Unterfangen zum Scheitern verurteilt sein könnte", schreibt Voelpel. Der gute Rat: sich stattdessen bereits Geschafftes vor Augen zu halten. "Sie bestimmen, wie es enden wird."

Wenn gar nichts mehr geht: "Lächeln Sie." Wie Forscher zeigten, wird man schon durch ein vorgetäuschtes Lächeln entspannter, weil das Gehirn nicht eindeutig unterscheiden kann, ob die Bewegung echt ist oder nicht.

Es heute einmal anders machen

Anstatt sich Altes radikal abzugewöhnen (funktioniert selten, siehe Rauchen), sollte man sich lieber neue Gewohnheiten schaffen, empfiehlt Voelpel: "Wenn Sie zum Beispiel bei Frust gerne in Ihre Schreibtischschublade greifen und ein Stück Schokolade naschen, kombinieren Sie dieses Ritual mit einem kurzen Spaziergang. So kommen Sie an die frische Luft und bewegen sich, ohne gleich totalen Verzicht üben zu müssen."

Behält man diese Abfolge lange genug bei, werde sie zur neuen Gewohnheit. Drei Monate dauere das in etwa. Für bessere Erfolge solle man sich belohnen. Freunden oder Verwandten von seinem Vorhaben zu erzählen verhelfe zu mehr Motivation.

Was ebenfalls helfen soll: sich jeden Morgen oder Abend drei Minuten lang Zeit zu nehmen, um sich sein neues, positives Ich vorzustellen, dann aber auch über mögliche Hindernisse auf dem Weg dorthin nachzudenken. "Menschen sind dann besonders erfolgreich in der eigenen Veränderung, wenn sie sich nicht nur das tolle Ziel vorstellen, sondern ebenso Widerstände bewusst reflektieren." So nämlich könne man Strategien entwickeln, wie man sie überwindet.

Widerstandskraft trainieren

Krisen kommen vor, große wie kleine. Wie gut sie bewältigt werden, hänge vom eigenen Umgang damit ab, schreibt Voelpel. Psychische Widerstandskraft wird im psychologischen Fachjargon als "Resilienz" bezeichnet. Resiliente Menschen gehen souveräner mit schwierigen Erfahrungen um – eine Fähigkeit, die sich lernen lässt, und zwar ebenfalls durch ein positives Mindset, eine Art Wahrnehmungsfilter.

Dazu stellt Voelpel einige Übungen vor:

• Das Positive sehen

Um die schönen Erlebnisse mehr schätzen zu lernen, könne man vor dem Außer-Haus-Gehen 30 Münzen in die Hosentasche stecken (oder Murmeln, Erbsen ...). Jedes Mal, wenn etwas Positives passiert, wandert eine von der linken in die rechte. "Werden Sie zum Jäger positiver Momente."

• Ressourcen ausbauen

Nächste Übung: sich an fünf große Krisen zu erinnern, die man bereits gemeistert hat. Und sich vor Augen zu führen, was einem dabei geholfen hat, sie zu bewältigen. "Auf welche Menschen konnten Sie zählen? Wer waren Rollenbilder? Wie haben Sie selbst sich unterstützt?" Diese Fragen gelte es am besten schriftlich zu beantworten. Schließlich solle man überlegen, wie man die jeweiligen Ressourcen weiter ausbauen kann.

• Der Gute-Taten-Tag

Wer anderen hilft, ist auch selbst nachweislich glücklicher. "Nehmen Sie sich vor, an einem Tag in der Woche fünf gute Taten umzusetzen", rät Voelpel. Das könne das Engagement in einem sozialen Projekt sein, aber auch, einer Nachbarin beim Tragen zu helfen.

• Muster erkennen

Auch der Job selbst könne als Ressource dienen, schreibt Voepel. Deshalb gelte es herauszufinden, in welchen Situationen er bereits eine Unterstützung war. Der Wissenschafter schlägt dafür vor, "Lebenslinien" aufzuzeichnen: Kurven mit den Bezeichnungen "Studium", "Beruf", "Familie". So könne man feststellen, wann man besonders glücklich war – und welche Faktoren dafür ausschlaggebend waren.

• Gedankenbeobachtung und Mind-Stop

Um nicht in negativen Gedanken steckenzubleiben, hilft es, sie bewusst zu unterbrechen. Voelpel: "Sobald Sie merken, dass Sie in eine negative Gedankenspirale kommen, stellen Sie sich ein Stoppzeichen vor." Indem man "Urlaub" von seinen Grübeleien macht – die Gedanken bewusst auf etwas Schönes richtet, einen Gegenstand genau betrachtet –, könne man diese Teufelskreise ebenfalls unterbrechen und ins Hier und Jetzt zurückkehren. (lib, 21.3.2017)