Künstler wie Gerhard Ruiss (Mitte vorne) zeigten sich erfreut, er sprach von einem "großen Tag für das Urheberrecht".

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Jetzt hat die Festplattenabgabe alle Hürden übersprungen. Nach unzähligen Prozessen, einer Urheberrechtsnovelle und mühsamen Verhandlungen zwischen Elektrohandel und Verwertungsgesellschaften hat die umstrittene Regelung mit einem für sie positiven Urteil im Amazon-Rechtsstreit den letzten Widerstand überwunden. Entgegen der Rechtsmeinung voriger Instanzen stellte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) in seinem Urteil inhaltlich überraschend deutlich hinter die gängige Praxis, beim Erwerb von Festplatten mit einer Abgabe etwaige Privatkopien urheberrechtlich geschützter Werke auszugleichen. Der OGH schmetterte die Bedenken von Amazon ab, das sich als Anwalt der Nutzer präsentiert hatte.

Rückerstattung für Private kaum möglich

So versuchte Amazon mit mehreren Argumentationssträngen die Festplattenabgabe zu Fall zu bringen. Ein zentraler Punkt war, dass Privatnutzern die Rückerstattung der Urheberrechtsabgabe nahezu unmöglich gemacht werde. Die Abgabe ist als Ausgleich für Privatkopien von legal erworbenen Inhalten gedacht. Amazon argumentierte, dass User, die keine Privatkopien von urheberrechtlich geschützten Werken anfertigen – ihre Festplatte also etwa für eigene Fotos oder Dokumente nutzen –, die Urheberrechtsabgabe nicht rückerstattet bekommen.

"Rechtmäßige Vermutung"

Unter Berufung auf mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofs stellte sich der Oberste Gerichtshof nun hinter die in Österreich gängige Praxis, Rückerstattungen nur für Unternehmen durchzuführen. "Der EuGH hat eindeutig ausgesprochen, dass der Nachweis des Anfertigens von Privatkopien (...) nicht erforderlich ist", heißt es im Urteil des OGH, das dem STANDARD vorliegt. Eine "rechtmäßige Vermutung" der "Vervielfältigungsfunktion" sei ausreichend. Laut Höchstgericht würde eine Umstellung zu einer "Unadministrierbarkeit des Systems" führen, da die Behauptung privater Nutzer, keine Privatkopien anzufertigen, "schlechthin nicht überprüfbar" sei.

Keine Diskriminierung

Auch einem zweiten Argument von Amazon folgte der OGH nicht. Der Onlinehändler kritisierte, dass das System zur Ausschüttung von Fonds für Nachwuchskünstler oder soziale Zwecke sei unionsrechtswidrig, da Inländer oder in Österreich lebende Künstler bevorzugt würden. Hier urteilte der OGH, dass ein bloßes "faktisches Überwiegen der Nutzung durch inländische Berechtigte noch nicht als 'diskriminierende Funktionsmodalität' der Einrichtung anzusehen" sei. Eine Diskriminierung sei nicht vorhanden, da sich im Ausland lebende ausländische Künstler theoretisch bei österreichischen Verwertungsgesellschaften anmelden könnten.

"Großer Tag für das Urheberrecht"

Kunstschaffende und Verwertungsgesellschaften zeigten sich über das Urteil hocherfreut. Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen und Autoren sprach von einem "großen Tag für das Urheberrecht, und zwar nicht nur in Österreich". Gernot Graninger, Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft Austro-Mechana, sprach von einer "richtigen Entscheidung". Die Austro-Mechana ist für die Aufnahme und Weiterleitung der durch die Abgabe eingenommenen Beträge zuständig. "Endlich können wir unsere sozialen und kulturellen Leistungen wieder aufnehmen", so Graninger. Aus Angst vor dem Urteil war etwa der Musikfonds ausgesetzt worden. Wie viel Amazon nun tatsächlich zahlen muss, wird in einem gesonderten Verfahren entschieden.

Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) hatte erst vor einem Monat davon gesprochen, dass in der nächsten Legislaturperiode eine "gesetzliche Überarbeitung der Festplattenabgabe" zu erwarten sei. Die "digitalen Entwicklungen kommen rasch an einen Punkt, an dem die Frage neuer Finanzierungsmodelle für Verwertungsgesellschaften einer technischen Löschung zugeführt werden kann", sagte Drozda im Kulturausschuss des Nationalrats. Die Festplattenabgabe hat also alle politischen und juristischen Hürden überwunden – und dennoch ein Ablaufdatum. (Fabian Schmid, 16.3.2017)