Es gilt als ausgemacht, dass die Schüsse von Schattendorf quasi die Urkatastrophe der Ersten Republik waren – mit dem folgenden Prozess, den Freisprüchen, den Krawallen beim Justizpalast, den erschossenen Arbeitern quasi die Vorstufe zu Dollfuß-, Schuschnigg- und Hitler-Diktatur.

Die konservative Publizistin Gudula Walterskirchen greift dieses Muster auf, seziert all die Vorgänge und versucht, die weniger bekannten Aspekte in den Vordergrund zu rücken. Dabei zeigt sie Verständnis für die Frontkämpfer, die am 27. Jänner 1927 aus dem Schattendorfer Gasthaus Tscharmann geschossen haben (nach ihrer Darstellung wurden sie von Schutzbündlern bedroht) – und für die Geschworenen, die sie dafür freigesprochen haben. Diese dürften tatsächlich durch die Fülle an juristischen Fragen überfordert gewesen sein. Überfordert war dann auch die sozialdemokratische Parteiführung, als sich die Wiener Arbeiter nach dem Urteil zum Demonstrieren in die Wiener Innenstadt begeben haben. Walterskirchen stellt die Vorgänge rund um den Justizpalastbrand in den Kontext des Linzer Parteiprogramms, dessen radikale Formulierungen in bürgerlichen Kreisen Ängste vor einem Umsturz von links geschürt haben.

Auch den Februaraufstand von 1934 beleuchtet Walterskirchen anders als gewohnt: Sie hat Belege gesammelt, die beweisen sollen, dass der Schutzbund zumindest teilweise von Nazis unterwandert war. Und sie argumentiert gegen die Heroisierung der Februarkämpfer, die spätestens seit der Ausstellung Die Kälte des Februar von 1984 üblich geworden ist. Walterskirchen: "Die Schutzbündler kämpften auch nicht für die Wiedererrichtung der Demokratie, sondern wollten selbst die Macht übernehmen und eine 'sozialistische Diktatur' errichten. Damit riskierten sie, ohne dass ihnen allen dies bewusst war, dem nationalsozialistischen Deutschland den Anlass zum bereits geplanten Eingreifen und zur Machtübernahme in Österreich zu bieten." (Conrad Seidl, 16.3.2017)