Der Schwerpunkt der Ermittlungen zum Odebrecht-Skandal liegt in Brasilien. Involviert sein sollen auch die Staatschefs mehrerer anderer lateinamerikanischer Staaten. Auch in Panama ...

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... der Dominikanischen Republik ...

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... und Peru wurde jüngst demonstriert.

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Glaubt man den brasilianischen Medien, dann ist der Weltuntergang nahe. Seit Wochen wartet das Land auf die hochbrisanten Kronzeugenaussagen der Operation "Apocalypse", die das ganze politische System ins Wanken bringen könnte – vor allem in Brasilien, aber auch in mehreren anderen südamerikanischen Staaten. Jetzt hat Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot dem Obersten Gericht eine Liste mit Namen von 83 Politikern übermittelt, gegen die wegen Korruptionsverdacht Ermittlungen eingeleitet werden sollen. Basis sind die Aussagen des inhaftierten Ex-Bauunternehmers Marcelo Odebrecht und weiterer Manager des gleichnamigen größten Baukonzerns Lateinamerikas.

Auf der Liste, die noch nicht öffentlich ist, aber an einzelne Medien weitergegeben wurde, findet sich fast die gesamte Politprominenz des Landes, darunter fünf amtierende Minister der rechtskonservativen Regierung von Präsident Michel Temer. Außerdem sollen Ermittlungen gegen die Präsidenten von Senat und Abgeordnetenhaus, gegen die Mehrheitsführer von Temers Regierung in beiden Kammern und zehn Gouverneure eingeleitet werden.

Veröffentlichung der "Weltuntergangsliste"

Ganz oben stehen jedoch die Namen der im September mit einem umstrittenen Enthebungsverfahren geschassten Staatschefin Dilma Rousseff sowie ihres populären Vorgängers Luiz Inácio Lula da Silva. Die Veröffentlichung der "Weltuntergangsliste" schlug in Brasilien ein wie eine Bombe, bringt sie doch die aktuelle Regierung an den Rand der Handlungsunfähigkeit. Regierung und Opposition zittern vor den Ermittlungsergebnissen.

Nicht auf der Liste steht Staatspräsident Temer, was allerdings lediglich bedeutet, dass er nur während seiner Präsidentschaft seit Mai vergangenen Jahres keines Korruptionsvergehens verdächtigt wird. Denn gemäß der Verfassung kann ihm ein Amtsenthebungsverfahren nur bei Vergehen während der Amtszeit drohen. Mehreren Zeugenaussagen zufolge soll er im Jahr 2014 umgerechnet rund drei Millionen Euro an illegalen Wahlkampfspenden über einen Strohmann erhalten haben.

Die Stimmung gegen die Regierung ist ohnehin schon aufgeheizt. Am Mittwoch gingen im ganzen Land Zehntausende aus Protest gegen die angekündigte Rentenreform auf die Straße und forderten Temers Rücktritt.

Odebrecht und die brasilianische Politik bilden seit Jahren eine gewinnbringende Symbiose. Vor drei Jahren, am 17. März 2014, begannen die Ermittlungen im größten Korruptionsskandal "Lava Jato" (Schnellwäsche). Zunächst konzentrierten sich die Untersuchungen auf den halbstaatlichen Erdölkonzern Petrobras. Bei Aufträgen für Raffinerien, Bohrinseln und petrochemische Anlagen zweigten korrupte Manager und Politiker drei Prozent der Rechnungssumme als Schmiergeld ab.

Hunderte Millionen Dollar

Doch schnell geriet der Baukonzern ins Visier der Ermittler, der für die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele in Rio zahlreiche Großaufträge für Stadien, Metrolinien und neue Schnellstraßen an Land zog. Insgesamt soll der Konzern rund 800 Millionen Dollar (750 Mio. Euro) an Schmiergeldern über ein weitverzweigtes Netz aus schwarzen Kassen, Briefkastenfirmen und Geldwäschern an korrupte Politiker in ganz Lateinamerika gezahlt haben. Allein in Brasilien sind 116 Staatsanwälte mit den Ermittlungen beauftragt. Involviert sollen aber auch die Staatschefs Kolumbiens, Juan Manuel Santos, Panamas, Juan Carlos Varela, und weiterer Staaten sein. Mittwoch berieten Generalstaatsanwälte aus 15 Ländern über den Fall, darunter aus dem EU-Mitglied Portugal.

Es ist ein Paradoxon der brasilianischen Politik, dass zunächst das Oberste Gericht entscheiden muss, welche Klagen gegen Politiker überhaupt zugelassen werden. Danach wird über die Aufhebung von deren Immunität beraten. Schon vor zwei Jahren hatte Generalstaatsanwalt Janot eine Liste mit 50 Korruptionsverdächtigen an den Gerichtshof übermittelt – mit geringen Konsequenzen. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 17.3.2017)