Seit geraumer Zeit registrieren die Militärkommanden Anträge von Exrekruten, die eine Bestätigung für ihren abgeleisteten Präsenzdienst wollen – und zwar "zur Vorlage an türkische Behörden".

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Wien – Angesichts der Aufregung rund um Doppelstaatsbürgerschaften von Österreichern türkischer Herkunft tut sich eine neue Facette auf: Schon vergangenen Herbst hat das Verteidigungsressort das Innenministerium über seine Besorgnis informiert, dass abgerüstete Rekruten mit diesem Hintergrund mitunter zwei Pässe erlangt haben könnten, wie aus einem Schreiben hervorgeht, das dem STANDARD vorliegt.

Konkret wandte sich die Personalabteilung C in dem Brief mit der Geschäftszahl S90902/1 mit folgendem Sachverhalt an das Ressort von Wolfgang Sobotka (ÖVP): "In den Ergänzungsabteilungen der Militärkommanden kommt es regelmäßig zu Anträgen ehemaliger Präsenzdienstleistender, die eine Dienstbestätigung mit Rundsiegel verlangen, weil für sie die Amtssignatur angeblich nicht ausreichend ist." Auf Rückfrage werde "wiederholt geantwortet, dass die Bestätigung zur Vorlage an türkische Behörden" benötigt werde.

Die Conclusio des Verteidigungsministeriums: "Hier besteht der Verdacht, dass österreichische Staatsbürger mit türkischem Migrationshintergrund neben der österreichischen Staatsbürgerschaft auch (wieder) die türkische besitzen und dies möglicherweise gemäß Paragraf 26 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 den Verlust der österreichischen zur Folge hat."

Das aus politischer Sicht Pikante daran: Bisher galten Wehrdienstleistende türkischer Abstammung stets als Beispiel für gelungene Integration – nicht zuletzt, weil sie als österreichische Staatsbürger auf die Republik ihr Gelöbnis ablegen, das auch die hiesige Gesetzestreue inkludiert. Denn in Österreich sind Doppelstaatsbürgerschaften in der Regel nicht erlaubt, wer nicht unter die wenigen Ausnahmeregelungen fällt, droht daher Pass, Wahlrecht und Co zu verlieren.

Demonstrative Härte

Damit nicht genug, wollen die Koalitionsparteien angesichts des umstrittenen Referendums von Recep Tayyip Erdoğan Mitte April, mit dem sein autoritäres Präsidialsystem in der Türkei abgesegnet werden soll, keine Milde gegenüber sogenannten "Austrotürken" walten lassen. Eine Amnestie für reumütige Doppelstaatsbürger schlossen nicht nur die Klubchefs von SPÖ und ÖVP aus, sondern unlängst auch Innenminister Sobotka via "Kurier", denn die Staatsbürgerschaft sei "eines der höchsten Güter. Einen Missbrauch nicht zu ahnden, sondern straffrei zu stellen, halte ich für untragbar."

Per Schreiben vom 8. September 2016 hat das Verteidigungsressort das Innenministerium im letzten Absatz ausdrücklich um Mitteilung ersucht, ob die fragwürdigen Anträge von jungen Männern auf Präsenzdienstzeitbestätigung "zur Vorlage bei türkischen Behörden" an die zuständige Staatsbürgerschaftsbehörde bekanntgegeben werden sollen. Sprecher Stefan Hirsch moniert nun, sechs Monate nach erfolgtem Problemaufriss: "Unsere Anfrage gilt bis heute als aufrecht."

Im Innenministerium ist man "überrascht", dass man das amtliche Schreiben quasi als unbehandelt betrachtet. "Wahr ist vielmehr, dass diese Anfrage von uns telefonisch beantwortet wurde – und zwar, dass uns die Daten von derartigen Verdachtsfällen zugesendet werden mögen, damit sie an die zuständige Staatsbürgerschaftsbehörde weitergeleitet werden können", hält Sprecher Karl-Heinz Grundböck fest, und: Bis dato habe man vom Verteidigungsministerium "keine entsprechenden Daten" zu möglichen österreichisch-türkischen Doppelstaatsbürgern erhalten.

Datenlage unklar

In der Rossauer Kaserne widerspricht man dieser Darstellung. Zweimal, am 13. Dezember und am 13. März, habe man von sich aus nachtelefoniert und um Auskunft ersucht, wie in der Angelegenheit weiter zu verfahren sei. Hirsch: "Am Montag wurde dann gebeten, unser Schreiben noch einmal zu übermitteln."

Wie hoch die Zahl an österreichisch-türkischen Doppelstaatsbürgern insgesamt ist, gilt übrigens als unklar – weil Ankara hier nicht kooperiert, jedoch das Problem forciert. Vage Schätzungen gehen von mehr als zehntausend Menschen aus, doch ein Vielfaches ist möglich. (Nina Weißensteiner, 16.3.2017)