Das Aufatmen über das Ergebnis der Wahl in den Niederlanden war quer durch Europa bereits vernehmbar, noch bevor die ersten Stimmzettel ausgezählt waren. Nachwahlbefragungen hatten früh und klar angezeigt, dass die rechtspopulistische Freiheitspartei (PVV) von Geert Wilders weit davon entfernt war, die Nummer eins im Land zu werden.

So wurde dann rasch von einem "Wahlerfolg" Premierminister Mark Ruttes gesprochen. Aus Brüssel und den EU-Hauptstädten trudelten Glückwünsche ein, mit der einen Botschaft: Dies sei "ein Votum für Europa" und gegen Populisten, wie es aus der Kommissionsspitze hieß; "ein klarer Sieg gegen den Extremismus", wie Frankreichs sozialistischer Präsident François Hollande sagte. War es das wirklich, nur das?

Die spürbare Erleichterung im Lager der Proeuropäer, die gegen die "Zerstörung der EU" (die Marine Le Pen propagiert) ebenso kämpfen wie gegen den von Wilders betriebenen EU-Austritt seines Landes, ist verständlich. Ein Durchmarsch hätte neben dem Nexit pauschale Hetze gegen Muslime befeuert. Das wäre für die Union im Superwahljahr 2017 eine Katastrophe gewesen. Ende April gibt es die erste Runde der Präsidentenwahl in Frankreich, im Herbst Bundeswahlen in Deutschland. Ein Sieg der PVV hätte Le Pens Front National und der AfD Auftrieb gegeben. Das findet so nun nicht statt.

Fünf Mandate dazugewonnen

Wilders gewann fünf Mandate dazu. Mit mageren 13 Prozent Stimmenanteil ist er von einer Machtübernahme aber ausgeschlossen. Das führt direkt zur Frage, warum die Wahl der Niederländer von Politikern wie Medien in Europa fast nur unter dem Gesichtspunkt einer "Niederlage" von Wilders gesehen wird. Mag sein, dass er Rutte sogar noch näher gekommen wäre, wenn dieser im Streit mit der türkischen Regierung nicht eine so gute Figur gemacht hätte. Aber das "Kopf-an-Kopf-Rennen" zwischen Rutte und Wilders war nie entscheidend. Und die übertriebene Aufmerksamkeit für Rechtspopulisten ist vor allem Folge einer öffentlichen Hysterie. Die Rechten leben davon, mit immer radikaleren Forderungen Schlagzeilen zu machen.

Nach dem Wahlmittwoch in den Niederlanden müssen auch Medien sich selbstkritisch fragen, welchen Anteil sie am Hype haben. Weil das so ist, fiel das weit wichtigere Ergebnis fast unter den Tisch. Rutte hat zwar "gewonnen", aber mit einer gewaltigen Niederlage seiner Regierung aus Rechtsliberalen und Arbeiterpartei (PvdA). Diese wurde für ihre Politik abgestraft wie keine in Europa seit Jahrzehnten: Sie verlor fast die Hälfte ihrer Mandate. Die Arbeiterpartei ist politisch halbtot. Es gibt keine traditionellen Großparteien der Mitte mehr. Das liegt nicht an Wilders, sondern am politischen Kurs, den Rutte seit 2010 prägte, mit williger Zustimmung der Arbeiterpartei. Profitiert haben davon linksorientierte Grüne, die Linksliberalen von D66 und die Christdemokraten – alles proeuropäische Parteien, die für einen sozialeren Kurs stehen ebenso wie für klare Abgrenzung gegen die Rechtspopulisten.

Ohne sie geht nichts. Der wahre Wahlsieger in den Niederlanden ist die Demokratie, bei hoher Wahlbeteiligung. Es gibt ein breites Spektrum an Parteien, den Zwang zur Kooperation.

Träger dieser neuen politischen Mobilisierung waren vor allem die jungen Menschen, die erkannt haben, dass es letztlich um ihre Zukunft geht. Die Botschaft an Europa war: Wir sagen Ja zur EU, aber es muss sich vieles ändern. (Thomas Mayer, 16.3.2017)