Wien – Was für ein bezauberndes Wesen: halb Mädchen, halb Märchenfigur, Pippi Langstrumpf und Prinzessin. Unter ihrem karottenroten Haar befindet sich ein kreativer Kopf und ein freier Geist: Auf der Opernbühne ist Patricia Petibon längst aus dem Vogelkäfig des Nachtigallenfachs ausgebüxt, im Mai wagt der ehemalige Koloraturstar etwa in Paris erstmals die Mélisande. Am Mittwochabend gab die 47-Jährige zusammen mit der Pianistin Susan Manoff einen Liederabend im Konzerthaus, auf dem sie nicht nur durch selten begangene Liedlandschaften des 20. Jahrhunderts streifte, sondern auch den beengenden Präsentationsrahmen dieser Gattung schelmisch demontierte und durch konfettibunte Girlanden der Komik ersetzte.

"Eine Weltreise der Liebe" wurde im Programmheft angekündigt, und die Lieder von 17 (!) verschiedenen Komponisten wurden dabei zu Stationen dieser berührenden und belustigenden Tour d'Amour. Mit Samuel Barbers Sure on this Shining Light wurde pathetisch in den Abend gestartet, zu Benjamin Brittens Version von Greensleeves fischte Petibon flink ein Krönchen aus dem Flügel. Das Arbeitsgerät von Susan Manoff wurde im Lauf des Abends zum Requisitendepot, aus dem die Französin Äpfel, Telefonhörer und Gartenzwerge aushob (und diese später frohgemut ins Publikum pfefferte).

Kindliche Leichtigkeit

Alles nur Klamauk? I wo. Denn der Spagat zwischen hoher Kunst und Komik gelang Petibon mit kindlicher Leichtigkeit und einem Sopran, der sich von volksliedhafter Schlichtheit zu satter Operndramatik weitete. Riesig die emotionalen Panoramen, die sie etwa in Heitor Villa-Lobos' Nesta rua aufriss, große Oper bot sie in Poulencs Sanglots – um kurz darauf in Murray Semos' Busy Line ein Gagfeuerwerk abzufackeln oder in Frank Churchills Someday my prince will come den halben Cast von Schneewittchen zu spielen.

Und auch Susan Manoff bewies am Klavier eine ähnliche stilistische Wandelbarkeit. Die gebürtige New Yorkerin verstand sich auf Salondelikatesse, servierte aber auch lustvoll Deftiges vom Frischmarkt der Gefühle: Klavierspiel ohne Bügelfalten im Gemüt, wie man es so oft bei Liederabenden zu hören bekommt. (Stefan Ender, 16.3.2017)