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In den vergangenen Jahren hat Österreich vom Niedrigzinsumfeld massiv profitiert. Die Zinszahlungen sind gemessen an der Wirtschaftsleistung halb so hoch wie noch Mitte der 1990er-Jahre.

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Wien – Was Ökonomen vor kurzem noch für undenkbar hielten, ist Realität geworden. In der Eurozone hat eine Debatte darüber eingesetzt, ob es angesichts der besseren Wirtschaftslage nicht an der Zeit wäre, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre lockere Geldpolitik beendet und die Leitzinsen anhebt.

Das Wirtschaftswachstum in Europa hat zuletzt deutlich angezogen. Der Trend nach oben bei Investitionen und Konsum ist von Portugal über Österreich bis nach Lettland spürbar. Eine Folge davon ist, dass die Inflation angestiegen ist. Im Februar lag die Teuerungsrate in der Eurozone bei zwei Prozent. Das ist jener Zielwert, den die EZB in Frankfurt anstrebt. In Österreich und Deutschland ist die Inflation inzwischen über zwei Prozent geklettert.

Anfang März hat es laut der Nachrichtenagentur Bloomberg in der EZB bereits eine Debatte über eine Zinserhöhung gegeben. Auch wenn kein konkretes Datum für eine Kursänderung besprochen wurde, hat die Entwicklung Spekulationen befeuert. "Erhöht die EZB (den Leitzins, Anm.) früher als gedacht?", betitelte etwa die deutsche Commerzbank unlängst eine Analyse.

Damit wird die Frage akut, wie sich höhere Zinsen auf die Staatsschulden auswirken würden. Die EZB hat die Leitzinsen ja auf null gestellt und kauft massiv Staatsanleihen auf. Diese Strategie der lockeren Geldpolitik hat dafür gesorgt, dass alle Euroländer günstig an Kredite kommen.

Aber was, wenn die Party zu Ende geht? Der Ökonom Hans Pitlik vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo hat auf Anfrage des STANDARD berechnet, was geschehen würde, wenn die Zinsen für die Republik Österreich stark zulegen würden.

Pitlik hat ein fiktives Schockszenario angenommen. Die meisten Länder, darunter Österreich, verschulden sich, indem sie Staatsanleihen begeben. Banken oder Versicherungen erwerben diese Wertpapiere und bekommen dafür laufend Zinsen. Für österreichische Staatsanleihen, die in zehn Jahren abgezahlt werden müssen, liegt der Zinssatz aktuell bei 0,4 Prozent. Wifo-Ökonom Pitlik hat kalkuliert, was passiert, wenn diese Zinslast heuer auf drei und im nächsten Jahr auf vier Prozent steigt.

Keine Explosion bei Schuldendienst

Könnte ein starker Zinsanstieg dramatische Folgen für Österreich haben? In Pitliks Berechnungen findet sich darauf kein Hinweis. Im vergangenen Jahr hat Österreich 7,6 Milliarden Euro für den Schuldendienst ausgegeben. Selbst bei dem erwähnten starken Zinsanstieg würde diese Summe 2017 bloß auf 7,8 Milliarden Euro steigen. 2018 würden die Ausgaben für Zinsen wieder auf 7,6 Milliarden Euro fallen.

Für diese Entwicklung gibt es mehrere Erklärungen. Zunächst ist der Großteil der österreichischen Staatsanleihen, 95 Prozent, festverzinst. Ein Anstieg der Zinsen wirkt auf diese Papiere also gar nicht.

Hinzu kommt eine weitere Besonderheit: Ein privater Häuslbauer zahlt seine Schulden nach ein paar Jahren zurück. Doch Staaten nehmen in der Regel einen neuen Kredit auf, um einen alten zu begleichen. Bis zum Jahr 2022 laufen eine Reihe von Staatsanleihen aus, die sehr hoch verzinst sind (3,4 bis 4,6 Prozent).

Österreich hatte diese Anleihen begeben, bevor die EZB ihre Geldpolitik lockerte. Selbst bei einem Anstieg der Zinsen auf drei, vier Prozent würde sich die Republik in den kommenden Jahren also Geld ersparen, weil sie teure alte durch günstigere neue Anleihen ersetzen kann.

Neue Kredite verteuern sich

Schlagend werden höhere Zinsen nur bei Aufnahme neuer Kredite. Das Neudefizit soll laut Plänen der Regierung in den kommenden zwei Jahren sinken. Auf dieser Annahme beruht die Wifo-Rechnung.

Selbst bei einem Anstieg der Zinsen ist in naher Zukunft "kein Grund für Alarmismus gegeben", lautet das Fazit des Ökonomen Pitlik. Das gelte umso mehr, als ein Zinssprung auf drei oder vier Prozent eine unrealistische Annahme sei. Vielmehr würde die EZB so wie die US-Notenbank Fed die Leitzinsen langsam und moderat anheben.

Heißt das, Österreich braucht sich nicht sorgen? Pitlik sagt, dass sich mit den Jahren die Effekte der höheren Zinsen stärker bemerkbar machen werden. Zudem hat er die Auswirkungen nur für den Bund, nicht für Länder und Gemeinden analysiert. Dass in naher Zukunft kein Grund für Alarmismus besteht, sieht auch Franz Schellhorn, Chef der wirtschaftsliberalen Agenda Austria, ähnlich. Österreich habe sich zuletzt mit günstigen Krediten eingedeckt.

Doch Schellhorn übt Kritik, weil die niedrigen Zinsen nicht genutzt wurden, um in Bildung und Infrastruktur zu investieren, wie er sagt. Österreich gebe stattdessen zu viel Geld für Pensionen aus – "die Regierung holt sich lieber billiges Geld bei der EZB, als dass sie Reformen angeht". (András Szigetvari, 20.3.2017)