Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern regiert seit Mai 2016 mit Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Eigentlich hätten die beiden Zeit bis zum Herbst 2018.

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Bei den Schwarzen schildert man den Zustand der Koalition so: Beide Regierungshälften würden längst lieber in Neuwahlen gehen, als so miteinander weiterzumachen. Doch keiner, weder SPÖ noch ÖVP, traue sich derzeit, dem Ganzen ein Ende zu setzen – vor allem aus Angst davor, vom Wahlvolk für seinen Ausstieg abgestraft zu werden. Fazit: "Also wird, sagen wir, weitergearbeitet, um den Ausdruck ,weiterwursteln' zu vermeiden."

Seit Tagen kursieren bei Roten und Schwarzen die Sonntage im November als mögliche Wahltermine. In ÖVP-Kreisen gibt man längst offen zu, dass der eigene Innenminister das Koalitionsklima mit seinen Vorstößen etwa zum Demonstrationsrecht arg strapaziert – und dass Wolfgang Sobotka damit längst Klubchef Reinhold Lopatka, der sich derzeit bewusst zurücknehme, als ewigen Störenfried abgelöst habe. "Von manchen ist die neue Rolle Sobotkas als Scharfmacher gewollt, von manchen aber nicht", heißt es.

Druck aus den Ländern

Definitiv nicht zur Gruppe der Befürworter von Zündeleien gehöre ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Doch dem machen mittlerweile einige schwarz regierte Länder gehörig Druck, noch heuer im Herbst wählen zu lassen, weil bei ihnen selbst bald Urnengänge anstehen – allen voran Johanna Mikl-Leitner, die am 19. April als Landeshauptfrau von Niederösterreich angelobt wird. Derzeit dümpelt die ÖVP in Umfragen bei 20 Prozent herum – und aus Ländersicht soll Außenminister Sebastian Kurz als Spitzenkandidat die schmachvollen Werte mit einem überragenden Ergebnis bei der Nationalratswahl als Vorlage für Niederösterreich, Salzburg und Tirol vergessen machen.

Am Montag sprach Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) endlich laut aus, was längst gemunkelt wird: dass nicht wie geplant im Herbst 2018, sondern im Herbst 2017 gewählt werden soll. Im APA-Interview sagte Haslauer, das sei "eine reine Sachlichkeitsüberlegung".

Es sei nämlich die Frage, ob es "technisch möglich ist", den EU-Vorsitz, den Österreich im zweiten Halbjahr 2018 übernimmt, und "diverse Krisen" mit einem Wahlkampf plus Koalitionsverhandlungen "zu kombinieren".

Ganz anders sieht das Haslauers Parteifreund und Amtskollege in der Steiermark, Hermann Schützenhöfer, der keine vorgezogene Nationalratswahl will: "Die Regierung ist gewählt, um zu arbeiten."

Offiziell kein Neuwahlgequatsche erwünscht

Mit ähnlichen Worten äußert sich der rote Amtsinhaber in Kärnten, der sich im Frühjahr 2018 der Wahl stellen muss. Zum STANDARD sagt Landeshauptmann Peter Kaiser: "SPÖ und ÖVP sind gut beraten, das gemeinsame Arbeitsprogramm auch umzusetzen." Die "x-te Diskussion" darüber sei "überflüssig", weil beide Parteichefs – Kanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) – "derartigen Überlegungen mehrfach eine Absage erteilt haben". Der ÖVP-Chef habe das, erinnerte Kaiser, so auf den Punkt gebracht: "Schluss mit dem Neuwahlgequatsche."

Auch in der Kärntner Volkspartei findet Haslauers Neuwahlvorstoß keine Mitstreiter. Landeschef Christian Benger verweist auf das erneuerte Regierungsprogramm: "Das gilt es abzuarbeiten."

So sieht man das auch auf der roten Seite in Niederösterreich. SPÖ-Landesgeschäftsführer Robert Laimer hält von vorgezogenen Bundeswahlen "wenig bis gar nichts – die Bevölkerung möchte, dass gearbeitet wird."

Der Burgenländer Hans Niessl (SPÖ) vermutet hinter Haslauers Neuwahlwunsch ohnehin "die alte Schüssel-ÖVP-Strategie", dem Ersten in der Koalition nur ja keine Erfolge zu gönnen. Die Regierung habe aber viel Arbeit vor sich und solle die erledigen. So sieht das derzeit auch SPÖ-Chef und Kanzler Christian Kern.

Zwei der vier Landeshauptleute, die im Frühjahr 2018 regulär zur Wahl antreten müssen, Günther Platter in Tirol und Mikl-Leitner, nehmen das "Keine-Neuwahlgequatsche" derweil wörtlich. Ihnen ist dazu kein Wort zu entlocken – Nationalratswahl hin oder her und wann auch immer. (nim, nw, mue, sefe, 20.3.2017)