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Mit dem Moperl zur Urne: Jungwähler in Österreich, sie brauchen "Aufklärung" über Demokratie.

Foto: AP/Ronald Zak

Seit Jahrzehnten nun schon ringt die heimische Bildungspolitik um die immer gleichen Themenbereiche: Gesamtschule oder Weichenstellung ab dem zehnten Lebensjahr, Ganztagsschule oder schulfreie Nachmittage, schulpolitische Machtfragen sonder Zahl, Klassenschülerhöchstzahlen, Unterrichtsgestaltung für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache und vieles mehr. Alles sehr, sehr wichtig, keine Frage. Doch was eigentlich ist mit den Lehrinhalten?

Beispiel politische Bildung: Wohl sind "Medienbildung", "politische Bildung", "Europapolitische Bildung" explizit im Lehrplankanon des Bildungsministeriums festgeschrieben. Was allerdings den Schülerinnen und Schüler in diesen Unterrichtsstunden inhaltlich tatsächlich nahegebracht wird, darüber herrscht öffentliches Schweigen. Und aus Erzählungen von Schülern geht zumeist hervor, dass dies über nackte Daten und Fakten eher selten hinausgeht. Wiewohl mit einer gewissen Sicherheit anzunehmen ist, dass ihnen zumindest das demokratische Wahlrecht vermittelt wird. Und wohl auch die Dringlichkeit, wählen zu gehen. Denn wer seine Stimme nicht abgibt, unterstützt die Andersdenkenden. Dass diese Mahnung allerdings bei weitem nicht ausreicht, um den Jugendlichen die facettenreichen Werte einer Demokratie und die vielschichtigen Folgen einer Un-Demokratie verständlich zu machen, liegt auch auf der Hand.

Immerhin ist Österreich – verglichen mit England und der Schweiz etwa – eine junge Demokratie. Gerade mal 70 Jahre ist sie alt. Denn in der Zwischenkriegszeit (1918 bis 1939) war ganz Europa geprägt von politischer und wirtschaftlicher Instabilität. Da gab es für die Bürgerinnen und Bürger wenig Raum zum Einüben von Demokratie. In Österreich herrschte 1934 Bürgerkrieg, 1938 folgte der "Anschluss".

Kein Wunder also, dass die Bedeutung der Demokratie für Frieden, Freiheit, Gleichheit, Solidarität in den Hirnen und Herzen vieler Menschen nicht so verankert ist, dass sie gegen Heilsversprechen von Demagogen, Rechtspopulisten, Machtmenschen immun sind. Dazu kommt, dass der Wesenskern der Demokratie, die Kompromissfindung und -fähigkeit, die Suche also nach dem dritten Wege, These – Antithese – Synthese, nicht nur ein weitaus schwierigeres Unterfangen ist als autoritäre Zwangsherrschaft, sondern oftmals auch verunglimpft wird. Sei es durch das "Wording" vieler Medien, die den Weg zur Lösungsfindung permanent als "Streit der Regierung" kritisieren oder lächerlich machen. Selbst Qualitätsmedien verfallen hin und wieder in diese Tonalität. Sei es von Oppositionspolitikern oder außerparlamentarischen Kräften, die selber an die Macht wollen. Den Kompromiss verhöhnen ist in höchstem Maße demokratiegefährdend. Und wie sehr heutzutage die Demokratie – auch in europäischen Ländern – bedroht ist, hat beispielsweise erst unlängst im Profil Martin Staudinger in Zusammenarbeit mit Gregor Mayer im Detail skizziert ("In vier Schritten zur Alleinherrschaft").

Natürlich geht es auch den Regierungspolitikern einer Demokratie nicht immer um hehre Ziele. Das zu glauben, wäre ja naiv. Doch gerade da sind die Medien aufgerufen, in ihrer Berichterstattung zu unterscheiden – so sie sich dem seriösen und nicht dem Boulevardjournalismus verpflichtet fühlen. Ringen die Politiker nun um Anliegen zugunsten des Allgemeinwohls oder zugunsten ihres persönlichen Machterhalts?

Gründe genug also, mit der "Aufklärung" über die Demokratie schon bei Kindern und Jugendlichen zu beginnen. Kindgerecht, jugendgerecht, klarerweise. Demokratische Kultur erzeugt sich nicht von allein. Und schon gar nicht, wenn deren Ignoranten oder deren Feinde unterwegs sind. Geht es doch darum, den nachrückenden Generationen das Wissen um und über die Demokratie, deren Bedeutung für den Erhalt des Friedens und einer zivilisierten Lebensgestaltung zu vermitteln. Ein demokratischer Staat sollte dies nicht dem Eltern- und Großelternhaus allein überlassen. Zumal in Österreich die SP-VP-Koalitionsregierung 2007 das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre gesenkt hat.

Und wie dringlich solch eine "Aufklärung" der Jugendlichen ist, das hat Großbritannien erst am 23. Juni 2016 eindringlich vor Augen geführt bekommen: Beim damaligen "Brexit"-Referendum sind die Jungwählerinnen und -wähler mehrheitlich zu Hause geblieben. Ihre Wut und ihre Verwunderung über den Ausgang des Volksbegehrens waren enorm. (Elisabeth Horvath, 20.3.2017)