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Alexej Nawalny versucht das Beste aus seiner misslichen Lage zu machen.

Foto: AP / Navalny

Der Oppositionelle Alexej Nawalny bringt Farbe in Russlands Präsidentschaftswahlkampf. Bei seiner Tour durch Sibirien wurde er in der Großstadt Barnaul von Unbekannten mit Brillantgrün, einer antiseptischen Lösung, übergossen. Die Täter flohen anschließend unbehelligt in das Gebäude der Gebietsverwaltung. Nawalny nahm die Attacke mit Humor: "Die Maske, Avatar oder doch Shrek?", twitterte er mit grünem Gesicht und Händen posierend. Es sei eine dumme Idee der Kremlführung, ihn mit Brillantgrün zu übergießen, damit er nicht durch das Land fahre und Kundgebungen organisiere. "So ist es hundertmal cooler", erklärte er.

Antritt womöglich unmöglich

Es ist nicht der erste Angriff auf Nawalny, der auch schon zum Opfer von Eierwürfen, Farbbeutel oder Bombendrohungen wurde. Seit Wochen ist er unterwegs, eröffnet Wahlkampfbüros in den Regionen, rührt die Werbetrommel für eine Kandidatur, die alles andere als sicher ist: Im Februar wurde Nawalny im neu aufgelegten Kirowles-Betrugsprozesses zu fünf Jahren auf Bewährung verurteilt. Der Richter hielt sich in der Begründung fast wörtlich an die Aussagen aus dem ersten Prozess, den der Europäische Menschenrechtsgerichtshof als willkürlich und unfair kritisiert hatte. Mit der Bewährungsstrafe darf Nawalny eigentlich nicht antreten.

Nawalnys Aktivität ist für den Kreml unangenehm. Der Oppositionelle ist – auch dank teilweise nationalistischer und populistischer Losungen – landesweit bekannt. 2013 bei der Wahl zum Moskauer Bürgermeister holte er überraschend 27 Prozent. Sein Ausschluss würde den vom Kreml erwünschten Eindruck einer sauberen Wahl ruinieren. Andererseits bringt die Kampagne Schmutz ans Licht, den die russische Führung gern unter den Teppich kehren würde.

Medwedew im Visier

Besonders ein kürzlich lancierter Film über angeblich milliardenteure Villen, Weinberge und Yachten von Premier Dmitri Medwedew sorgte für Verstimmung in der Chefetage. Der Kreml zeigte sich erstaunlich sprachlos gegenüber den Korruptionsanschuldigungen. Dabei erweckt die Reportage den Eindruck, dass der Oppositionelle von einer Quelle aus dem inneren Zirkel der Macht bei seinen Recherchen mit Informationen unterstützt wurde.

Das ist durchaus brisant, denn es eröffnet den Blick auf die zweite Seite der Präsidentschaftswahl. Am Sieg Wladimir Putins zweifelt eigentlich niemand, obwohl er selbst alle Fragen nach einer Wiederwahl als "verfrüht" ablehnt. Die üblichen Gegenkandidaten, Kommunistenführer Gennadi Sjuganow, Populist Wladimir Schirinowski oder auch der Liberale Grigori Jawlinski, die Interesse bekundet haben, sind keine Gefahr für Putin. Selbst die Ratingagentur S&P setzt auf den Amtsinhaber, verweist auf dessen Popularitätswerte von 84 Prozent.

Die Frage, die sich im Dunstkreis des Kremls viele stellen, lautet daher nicht, wer 2018 Präsident, sondern wer Premierminister wird. Denn das könnte der Nachfolger Putins 2024 sein. Womöglich sägen daher mit Nawalnys Hilfe jetzt schon potenzielle Bewerber am Stuhl Medwedews. (André Ballin aus Moskau, 20.3.2017)