Sebastian Kurz hat sich längst warmgelaufen, er befindet sich in guter Form, legt ständig neue Vorschläge auf den Tisch. Der Außenminister wird getragen von guten Umfragewerten, die seinem Kurs recht zu geben scheinen: Österreich zuerst, lautet die Botschaft, die er beharrlich und mit großer Klarheit trommelt. Kurz gräbt der FPÖ damit konsequent das Wasser ab. Er befindet sich in einer Art Dauerwahlkampf und scheint bereit zu sein für die große, finale Auseinandersetzung mit dem Nochkoalitionspartner SPÖ.

Die schwarze Zukunftshoffnung lässt keine Gelegenheit aus, um darauf hinzuweisen, dass er es immer schon gesagt habe – ob das die Schließung der Balkanroute, die Kürzung von Sozialleistungen für EU-Ausländer, das Burkaverbot oder der Umgang mit den Türken ist. Und immer sei er von der SPÖ erst kritisiert worden, um dann recht zu bekommen. Tatsächlich hat man den Eindruck, dass es Kurz ist, der in der Regierung das Tempo vorgibt, wenn es darum geht, Ausländer in die Schranken zu weisen. Andere assistieren ihm willig.

Kanzler Christian Kern tut sich schwer, dieses Tempo mitzuhalten. Er hat zwar eine umfassende Reformagenda vorgelegt und arbeitet an deren schrittweiser Umsetzung, kommt aber nur schwer voran. Nicht aus eigener Nachlässigkeit. Wo es der ÖVP nicht in den Kram passt oder sie keinen unmittelbaren Vorteil daraus ziehen kann, steht sie nach wie vor auf der Bremse. Anderen einen Erfolg zu verunmöglichen ist eine der heimtückischsten Eigenschaften, die die ÖVP immer wieder hervorkehrt, wenn es für sie selbst eng werden könnte – und nicht nur dann.

Derzeit ist es die ÖVP, die darauf hinarbeitet, den Wahltermin vorzuverlegen. Der Druck kommt aus den Ländern, aber auch aus der Bundespartei. Nur Reinhold Mitterlehner, der formal ja noch Parteichef ist, hat kein Interesse daran, das Ende seiner Amtszeit mutwillig heraufzubeschwören. Zuletzt hat sich der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer dafür ausgesprochen, den Termin für die Nationalratswahl auf den Herbst 2017 vorzuverlegen. Er führt als Begründung den österreichischen EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr 2018 an, der sich schwer mit einem Wahlkampf und den anschließenden Koalitionsverhandlungen unter einen Hut bringen ließe. Das kann man so sehen, ist aber kein zwingendes Argument.

Logischer ist eine andere Erklärung: Die Länder haben überhaupt kein Interesse daran, dass ihr Wahlkampf mit einem auf Bundesebene verwoben werden könnte. Und im Frühjahr 2018 wählen immerhin Salzburg, Tirol, Kärnten und Niederösterreich. Diese hätten einen Nationalratswahlkampf dann schon lieber hinter sich gebracht, als sich auf regionaler Ebene mit Bundesthemen und dem negativen Image dieser Koalition herumschlagen zu müssen.

Aus Sicht der ÖVP spricht ein weiteres Argument für eine Vorverlegung: Je weniger Zeit Kern bleibt, sich als Reformkanzler zu positionieren, umso besser. Kern steht derzeit als Ankündigungsweltmeister da, der noch wenig von seinem an sich engagierten Programm umsetzen konnte.

Was der ÖVP noch fehlt: ein glaubwürdiges Ausstiegsszenario. Aber vielleicht finden die Koalitionäre ja doch noch zusammen und einigen sich über den Sommer darauf, gemeinsam auszusteigen – mit einem Wahltermin im Herbst. Man könnte es ihnen nicht verdenken. (Michael Völker, 20.3.2017)