Berlin – Türkische Politiker wählen Nazivergleiche nach Angaben von Vizeregierungschef Numan Kurtulmuş aus Sorge um ihre "europäischen Freunde". Er hoffe, dass diese sich an ihre blutige Vergangenheit erinnerten und nicht in die Falle des Nationalsozialismus tappten, sagte Kurtulmuş am Montag.

"Wir hören das Marschieren des Faschismus und der Nazis", dagegen müssten Schritte eingeleitet werden. "Wir sagen diese Sachen, damit sie nicht in die Falle des Faschismus tappen", meinte Kurtulmuş. Gleichzeitig warf er den europäischen Staaten vor, gegenüber der Türkei antidemokratisch eingestellt zu sein. Die Haltung vertrage sich nicht mit den europäischen Werten und Menschenrechten. Es sei zudem inakzeptabel, dass sich in deutschen Zeitungen so viele Überschriften bezüglich der Türkei fänden. Dies sei eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten.

Äußerungen des BND-Chefs "inakzeptabel"

Inakzeptabel seien auch Äußerungen von BND-Chef Bruno Kahl, sagte Kurtulmuş. Der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes sagte, die Türkei habe seine Behörde bisher nicht überzeugen können, dass der im US-Exil lebende Prediger Fethullah Gülen hinter dem Putschversuch im Juli stecke. Die europäischen Staaten rief Kurtulmuş zugleich auf, Maßnahmen gegen Rassismus zu ergreifen.

Die Türkei hat Deutschland und den Niederlanden wegen verbotener Wahlkampfauftritte türkischer Politiker wiederholt Nazimethoden vorgeworfen. Erst am Montag forderte Kanzlerin Angela Merkel erneut, dies müsse aufhören.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, kritisierte den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan wegen seiner Nazivergleiche scharf: "Die Vergleiche zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Nationalsozialismus, die wir in den vergangenen Tagen von türkischen Politikern gehört haben, sind nicht nur beleidigend und absolut falsch, sondern relativieren zugleich die Schreckensherrschaft der Nazis. (...) In einer Zeit, in der Antisemitismus und Rechtspopulismus immer weiter zunehmen, wertet dieser völlig deplatzierte Vergleich und die damit einhergehende Verharmlosung der Nazi-Gräueltaten die realen Bedrohungen ab", betonte Schuster. (APA, Reuters, 20.3.2017)