Es muss nicht die Côte d'Azur sein. Antigua auch nicht. Die Alte Donau tut's völlig. Sitzt man an einem Sommerabend bei der Segelschule Irzl und blickt aufs Wasser, während eine schneidige Brise eine Handvoll Segelschifferln gleich einer Schwanenfamilie übers Wasser schiebt, ist das ein feines Schauspiel: Yoga für die Augen.

Die Abendregatta der Segelschule ist freilich nicht zu vergleichen mit den Megaspektakeln "America's Cup", "Volvo Ocean Race" oder der Regattaserie "Voiles d'Antibes", aber der gemeinsame Nenner ist derselbe. Wind ist Wind, und Segeln ist dabei längst nicht mehr nur der "Sport der Könige". Auch der sogenannte kleine Mann und seine Frau sind heute zunehmend in den Segelschulen, Häfen und Marinas zwischen Bodensee und Neusiedler See anzutreffen. Ein paar Zahlen gefällig? Laut Auskunft vom Segelverband (OeSV) gibt es inzwischen 73 lizenzierte Ausbildungsstätten und 96 Clubs. Der Älteste wurde 1886 in Wien gegründet und trägt den strammen Namen "Union Yacht Club Stammverein".

Alte Donau in Wien: Segeln in der Großstadt.
Foto: apa/pfarrhofer

Vom Arbeiter bis zum Generaldirektor

Den vielen Tausenden österreichischen Seglern (allein beim Segel-Verband sind 16.000 registriert) geht es um diesen ganz speziellen Zauber, sich mit der Kraft des himmlischen Kindes fortzubewegen. Segeln erzeugt ein besonderes, ein positives Gefühl, ein einzigartiges Gemisch, das von unterschiedlichsten Zutaten lebt: Technik, Unberechenbarkeit, Sport, Natur und auch von einem guten Schuss Archaik.

Schon lange geht es bei dieser Art der Fortbewegung nicht mehr um eine Bewegung von A nach B, was Segeln über Jahrtausende war. Denkt man an die großen, klassischen Yachten etwa der Regatta-Serie "Panerai Classic Challenge", bootsbauerische Meisterleistungen, die nicht selten Kathedralen der Meere genannt werden, scheint es fast paradox, diese Yachten in die Gattung Fortbewegungsmittel einzuteilen.

Doch zurück an die Alte Donau, wo Wimpel und Fähnchen hysterisch im Wind flattern, als wären es Möwen, die man an ihrem Bürzel festhält: Der Seniorchef der Wiener Segelschule, Wolfgang Irzl, dessen Vorfahren hier schon 1898 Boote bauten, erzählt, dass seine Klientel quer durch den Gemüsegarten reicht. "Zu uns kommt der Arbeiter ebenso wie der Generaldirektor, altersmäßig beginnt es bei sechs Jahren und hört im Pensionistenalter auf. Menschen sind immer mehr mit dem Segelvirus infiziert, und nicht wenige machen in der Folge auch den Schein zum Skipper."

Thomas Zaja und Tanja Frank in Rio 2016.
Foto: apa/afp/west

Olympisch

Auch Thomas Zajac, der 2016 mit Tanja Frank bei den Olympischen Spielen in Rio die Bronzemedaille ersegelte – immerhin die einzige Medaille für Österreich – sieht das deutlich wachsende Interesse: "Es gibt in Segelschulen und Yachtclubs viel mehr Angebote als früher. Segeln ist einfach leistbar geworden und nicht mehr so elitär wie früher. Hinzu kommt, dass der Sport jünger und lässiger wurde, teilweise auch viel athletischer. Segeln ist weiters ein guter Sport, um der Hektik des Alltags zu entkommen. Die mediale Präsenz ist ebenso stärker geworden." Dem kommen auch technische Möglichkeiten zugute. Segelsportliche Großereignisse wie das "Volvo Ocean Race" rund um den Globus lassen sich heute live konsumieren. War man früher davon abhängig, den Rennverlauf bzw. die Ergebnisse oft erst nach Wochen aus den klassischen Medien zu erfahren, ist man heutzutage per Internet oder App mit an Bord.

Anspruchsvolle Windsituationen

Apropos Zajac und Spitzensport: Bei den Olympischen Spielen in Sydney im Jahr 2000 kassierte Österreich zwei Goldmedaillen, und das waren bei weitem nicht die einzigen Olympiamedaillen. Hinzu kommen diverse WM- und EM-Erfolge. Warum gerade das Land von Hermann Maier und Marcel Hirscher beim Segeln derartige Erfolge heimsegelt, begründet der Franzose Bruno Troublé, ehemaliger Skipper des legendären Baron Bich und Doyen der internationalen "America's Cup"-Szene, mit den Windsituationen an kleinen Seen, die durch Berge und Wälder oft viel kniffliger und anspruchsvoller sind als konstantere Bedingungen am Meer.

Aber auch segeltechnische Neuerungen heizen den Boom an, allen voran das sogenannte Foiling. International Aufsehen erregte dieses vor einigen Jahren, als der Katamaran des "Camper Emirates Team New Zealand" über das Wasser pfiff und sein Doppelrumpf komplett aus dem Wasser abhob. "Die New Zealand Herald" titelte am nächsten Tag "Team New Zealand fliegt".

Für die meisten Kenner im Bereich des Hochleistungssegelsports liegt die Zukunft des Segelns über dem Wasser. Einfach erklärt funktioniert Foiling durch eine Art Flügel, die wie Schwerter unter Wasser an den Booten angebracht sind. Bei einer gewissen Geschwindigkeit heben diese das Boot aus dem Wasser und lassen es mit bis zu 80 km/h über Meere und Seen flitzen. Das Ganze funktioniert ähnlich wie bei einem Flugzeug, mit dem Unterschied, dass dieser Flügel Wasser statt Luft benötigt. Und davon gibt's hierzulande ja jede Menge. (Michael Hausenblas, RONDO, 31.7.2017)

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