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So klein und schon ein Spa. Oft schummeln die Hoteliers bei der Größenangabe des Wellness-Bereichs.

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Wellness-Experte Christian Werner kritisiert weitgehend wirkungslose Behandlungen wie die hawaiianische Muschelmassage Huna Amanu.

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Die Italiener haben seit der Römerzeit Erfahrungen mit Thermen. Dennoch sind die Spa-Bereich vieler Wellness-Hotels nicht auf dem Stand der Zeit.

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Bei den Zahlen für den Wachstumsmarkt Wellness wird mitunter großzügig gerechnet: Auch das Müsli am Hotelbuffet zählt mitunter dazu.

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Christian Werner gibt seit 1999 den Wellness-Hotelführer Relax-Guide heraus.

STANDARD: Herr Werner, haben Sie schon einmal Huna Amanu ausprobiert?

Christian Werner: Ja, klar! Warum fragen Sie?

STANDARD: Sie kritisieren regelmäßig wirkungslose Wellness-Anwendungen wie diese hawaiianische Muschelmassage.

Werner: Ja, weil nicht viel mehr dahintersteckt als eine interessante Wortschöpfung. Es gibt insgesamt rund 500 solcher Begriffe für unsinnige Anwendungen. Da ist kein System dahinter und schon gar keine fundierte Ausbildung. Der Anteil der Nonsense-Treatments ist aber zum Glück seit zehn Jahren rückläufig, weil die Konsumenten die weitgehende Wirkungslosigkeit erkannt haben.

STANDARD: Manche bezahlen aber gerne dafür. Haben Hoteliers da nicht alle recht, das weiterhin anzubieten?

Werner: Es herrschen wie in der Lebensmittel- oder Automobilindustrie postfaktische Zustände, und es gibt dabei auch eine betrügerische Komponente. Das haben wir zuletzt bei den gefälschten Abgaswerten gesehen. Im Gegensatz dazu gilt bei wirkungslosen Anwendungen: Jeder kann leicht erkennen, dass diese Unsinn sind.

STANDARD: Wie kann der Kunde das erkennen?

Werner: Ich bleibe beim Autovergleich: Wer eine Zeitlang Auto fährt, merkt spätestens beim Tanken, dass die Herstellerangaben für den Verbrauch gar nicht stimmen können.

STANDARD: Ist das bei Wellness nicht schwerer zu beurteilen ?

Werner: Es ist sogar noch leichter als beim Auto, weil man es am eigenen Körper spürt. Ich kann nur raten, nach zehn Minuten zu gehen und zu sagen: "Sorry, aber dafür zahle ich nicht."

STANDARD: Warum sind die Behandlungen nichts wert?

Werner: Die meisten Massagen in Wellnesshotels werden von Kosmetikern verabreicht, sind reine Streicheleinheiten und erfordern keinerlei therapeutisches Wissen.

STANDARD: Sparen Wellnesshotels bei qualifiziertem Personal?

Werner: Natürlich kostet es die Hoteliers weniger, wenn unqualifiziertes Personal die Anwendungen verabreicht. Das Problem ist aber, dass qualifizierte Masseure in vielen Regionen gar nicht mehr zu bekommen sind. Wir haben mehr als 1000 Hotels in Österreich, die Wellness anbieten. Jene, die weit ab vom Schuss liegen, finden einfach keine Masseure mehr.

STANDARD: Also wird einfach geschummelt ...

Werner: Oft genug. Wir haben zuletzt auch festgestellt, dass die Größenangaben für Spa-Bereiche maßlos übertrieben sind. Die Flächen sind bis zu 80 Prozent kleiner als in der Werbung behauptet. Da kann der Konsument ebenfalls selbst draufkommen. Er weiß ja meistens, wie groß seine Wohnung ist, und kann hochrechnen.

STANDARD: Ist der Wellness-Kunde einer, der sich beschwert?

Werner: Unsere Leser sagen schon, dass ihnen solche Dinge auffallen: "7000 Quadratmeter? Das misst ein Fußballfeld, aber bestimmt nicht der Wellnessbereich, in dem ich war." Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es die ersten Prozesse gibt. Meist ist es dennoch so, dass man sich nicht beim Hotelier beschwert, weil man einfach ein paar Tage Ruhe haben will.

STANDARD: Apropos Ruhe. In Wellnessbereichen ist es oft laut. Gibt es einen Trend zur Stille?

Werner: Grob geschätzt sind es nur 15 Prozent der Hotels, die das als Trend sehen. Der Rest beschallt weiterhin, und interessanterweise regen sich viele Gäste auf, wenn sie nicht beschallt werden. Es gibt schon Leute, die unter dem Schlagwort Digital Detox bewusst auf den Fernseher oder Musik verzichten. Aber die Mehrheit will das Entspannungsgedudel.

STANDARD: Floating, das Schweben in warmem Salzwasser, wurde auch wieder zum Trend erklärt. Ist es einer?

Werner: Überhaupt nicht. Die meisten Trends werden von der Industrie ausgerufen, sind es aber nicht. Darauf fallen nicht nur Gäste herein, sondern auch Hoteliers. Einige haben sich Floating einreden lassen. Sie mussten recht schnell einsehen, dass die Investitionen in eine solche Anlage nur sehr schwer wieder einzuspielen sind.

STANDARD: Was ist denn ein echter Trend?

Werner: Holzböden. Das klingt lustig, aber wenn die Leute irgendetwas nicht wollen, ist es ein Spannteppich im Wellnesshotel. Das ist der einzige echte Trend, den ich den letzten 25 Jahren beobachtet habe.

STANDARD: Sind Wellnesshotels noch elitäre Ghettos?

Werner: Wenn man hohe Ansprüche hat, kostet das noch immer richtig viel Geld. Aber es gibt natürlich für jedes Börsel etwas, dann muss man halt Abstriche machen. Im Niedrigpreissegement ist das Angebot in ganz Europa nirgendwo so hoch wie in Österreich, und das Segment wächst weiter.

STANDARD: 2016 haben aber in Österreich erstmals mehr Wellnesshotels zugesperrt als aufgemacht. Ist der Boom vorbei?

Werner: Das war ein einmaliger Ausreißer. In Deutschland sperren jedes Jahr etliche Betriebe zu, vor allem in den alten Bäderländern Bayern und Baden-Württemberg. Dort gibt es Häuser, die seit Jahren mit einem Bein im Grab stehen. Grundsätzlich ist das in Österreich nicht so, der Markt wächst.

STANDARD: Warum ist das so in Österreich?

Werner: Das liegt an unserem kulturellen Hintergrund und den Traditionen. Erstens zelebrieren wir seit der Monarchie das Kuren wie keine andere Nation. Zweitens sind die vielen Thermalbäder dafür verantwortlich, die bereits seit dem 18. Jahrhundert existieren – oder zum Teil sogar aus der Römerzeit stammen.

STANDARD: Römer? Dann müssten die Italiener aber noch viel weiter sein mit der Wellness-Tradition.

Werner: Mit der Tradition schon. In der Praxis wurde in Italien aber seit Jahrzehnten nichts mehr in Hotels mit Wellness-Angeboten investiert. Ich komme gerade vom Comer See aus einem Juwel von Luxushotel zurück. Nur das Spa war komplett grindig. Trotzdem ist das Haus von einem US-Verlag zum weltbesten Wellnesshotel gekürt worden. Dabei zeigt es das ganze Elend der italienischen Wellness-Hotellerie.

STANDARD: Warum hat man in Italien denn so wenig investiert und in Österreich so viel?

Werner: Die Strukturen sind bei uns völlig andere – zumindest im Westen des Landes. Im Sommer kamen früher nicht besonders viele Gäste nach Tirol, aber es war Geld aus dem Wintertourismus übrig. Die meisten Hoteliers haben dort bäuerliche Wurzeln, und um ordentlich zu investieren, haben sie zusätzlich noch den einen oder anderen Wald verkauft. Auf einmal waren landesweit gesehen Milliarden vorhanden für die Wellness-Industrie.

STANDARD: Weltweit gesehen scheint Geld dafür da zu sein. Auf dem Global Wellness Summit in Kitzbühel war von weltweit 3,5 Billionen Euro Umsatz die Rede. Man spricht von einem der letzten echten Wachstumsmärkte.

Werner: Das sind keine offiziellen Zahlen, sondern es stecken Eigeninteressen dieser Vereinigung dahinter. Unter dem Begriff Wellness wird alles mitgerechnet, angefangen vom Müsli bis hin zu Cremen. Wenn man das herunterbricht, kommen wesentlich bescheidenere Zahlen heraus. Für Österreich bedeutet das aber noch immer eine Spitzenposition: Es gibt gemessen an der Größe weltweit kein Land mit mehr Wellnessbetrieben und auch keines, wo ein so gutes Preis-Leistungs-Verhältnis herrscht.

STANDARD: Ruht sich das Land zu sehr auf dem Titel des Wellness-Weltmeisters aus?

Werner: Genau diesen Eindruck habe ich. Wir bewerben das im Ausland nicht genug und haben es in 25 Jahren trotz enormer Investitionen nie geschafft, den Anteil internationaler Gäste zu erhöhen. Wir sind Wellness-Weltmeister, und keiner außer uns weiß es. (Sascha Aumüller, RONDO, 17.4.2017)